Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
Ihnen Geldgeschenke oder ihre Töchter an und bestürmen Sie im Chor: ‹Bitte, Kammerherr-sama, tragen Sie meine Sache dem Statthalter vor.›»
Tomine schnaubt durch seine zertrümmerte Nase.
Ein Statthalter , denkt Shiroyama, ist der Sklave mannigfacher Wünsche ...
«Bewachen Sie die Goldfische», sagt er zu Tomine. «Und holen Sie mich in ein paar Minuten ab.»
Der besonnene Kammerherr zieht sich in den Innenhof zurück.
«Unser Spiel ist nicht fair», sagt Enomoto. «Sie werden von Amtspflichten abgelenkt.»
Eine jadegrüne und aschgraue Libelle setzt sich auf den Rand des Spielbretts.
«Bedeutende Ämter», erwidert der Statthalter, «bringen Störungen jeder Größenordnung mit sich.» Er hat gehört, der Abt könne mit der flachen Hand Insekten und anderen kleinen Tieren das Ki entziehen, und er hofft ein wenig auf eine Vorführung, aber die Libelle ist schon davongeflogen. «Auch Fürstabt Enomoto hat ein Lehen zu regieren und einen Schrein zu unterhalten, und dazu kommen die wissenschaftlichen und ...», ihm wirtschaftliche Interessen zu unterstellen, wäre ein Affront, «... vielfältigen anderen Interessen.»
«Meine Tage, so viel steht fest, verlaufen nie müßig ...», Enomoto legt einen Stein in die Mitte des Bretts, «... aber der Shiranui-Schrein verleiht mir die Kraft der Jugend.»
Eine herbstliche Brise rauscht mit unsichtbaren Gewändern durch den Raum.
Meine Macht ist so groß , ruft die beiläufige Bemerkung dem Statthalter ins Gedächtnis, dass ich die junge Ogawa, deinen Günstling, in meinen Schrein verschleppen ließ, ohne dass du es verhindern konntest.
Shiroyama versucht, sich auf Gegenwart und Zukunft des Spiels zu konzentrieren.
Früher , so hat Shiroyamas Vater ihn gelehrt, wurde Japan vom Adel und den Samurai regiert ...
Der Diener schiebt die Tür auf, kniet und verbeugt sich.
... doch heute herrschen Betrug, Habgier ; Korruption und Wollust.
Der Diener bringt auf einem Tablett die Teekanne und zwei neue Tassen herein.
«Fürstabt», sagt Shiroyama, «darf ich Ihnen frischen Tee einschenken?»
«Seien Sie bitte nicht gekränkt», antwortet Enomoto, «wenn ich mein eigenes Getränk vorziehe.»
«Ihre ...», wie lautet das taktvolle Won?, «... Ihre Zurückhaltung ist nicht neu für mich.»
Enomotos blaugekleideter Novize steht schon bereit. Der kahlgeschorene junge Mann zieht den Stopfen aus einer Kürbisflasche und reicht sie seinem Herrn.
«Kommt es vor, dass ein Gastgeber ...» Wieder sucht der Statthalter nach den richtigen Worten.
«... erzürnt ist, weil ich ihn indirekt beschuldige, dass er mich vergiften will? Ja, bisweilen. In diesem Fall befriede ich ihn mit der Geschichte von der Dienerin eines Feindes, die eine Stellung im Hause der berühmten Miyako-Familie annahm. Zwei Jahre lang arbeitete sie dort als vertrauenswürdiges Dienstmädchen, bis sie bei meinem nächsten Besuch ein geruchloses Gift in mein Essen mischte. Hätte Meister Suzaku, der Arzt meines Ordens, mir nicht rasch ein Gegengift verabreicht, wäre ich gestorben, und die Familie meines Freundes wäre entehrt gewesen.»
«Sie haben skrupellose Feinde, Fürstabt.»
Der führt die Kürbisflasche zum Mund, neigt den Kopf zurück und trinkt.
«Feinde schwirren um die Macht», er wischt sich den Mund ab, «wie Wespen um geplatzte Feigen.»
Shiroyama bedroht Enomotos einzeln stehenden Stein, indem er ihn in Atari setzt.
Die Erde bebt, und die Steine werden lebendig: Sie klappern und wackeln ...
... aber sie bleiben liegen, und dann ist das Beben vorüber.
«Verzeihen Sie», sagt Enomoto, «wenn ich so ungehobelt bin und noch einmal auf Numas Geschäft zu sprechen komme, aber es belastet mein Gewissen, dass ich einen Statthalter des Shōguns von seinen Pflichten fernhalte. Mit welcher Kreditsumme könnte Numa Ihnen für den Anfang behilflich sein?»
Shiroyama verspürt ein Brennen im Magen. «Vielleicht ... zwanzig?»
«Zwanzigtausend Ryo? Selbstverständlich.» Enomoto bleibt ungerührt. «Die Hälfte wird übermorgen Abend in Ihrem Speicher in Nagasaki sein, die andere Hälfte wird zum Ende des zehnten Monats in Ihre Residenz in Edo geliefert. Wäre Ihnen diese Regelung genehm?»
Shiroyama blickt auf das Spielbrett. «Ja.» Er zwingt sich hinzuzufügen: «Bleibt noch die Frage der Bürgschaft.»
«Eine unnötige Beleidigung», erklärt Enomoto, «für einen so illustren Namen ...»
Mein illustrer Name, denkt der Eigentümer, verursacht mir nur kostspielige Verpflichtungen.
«Wenn
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