Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
riefen: ‹Bravo, bravo!› Dann überreichte mir Onkel Theo eine Börse voller Guineen, mit der Aufforderung, mich ein paar Tage lang allen Freuden hinzugeben, die die Taverne der zwei Meere zu bieten hätte ...»
Unten verlässt ein Mann das Bordell durch eine Seitentür. Das bin ich , denkt Jacob.
«... aber lieber hätte ich mir ein Bein gebrochen, als fern von Gloria zu sein. Also bat ich meinen Spender um Erlaubnis, ihm das Geld zurückgeben zu dürfen; lediglich die leere Börse wolle ich behalten, als Ansporn, sie kraft meines eigenen Geschäftssinns um ein Vielfaches zu füllen. Nur eine Stunde in seiner Gesellschaft, verkündete ich, sei wertvoller für mich als alle bunten Verlockungen Kapstadts, und was er, sofern seine Zeit es zuließe, von einer Partie Schach halte. Mein Onkel schwieg, und ich befürchtete schon, ich hätte zu dick aufgetragen. Die meisten jungen Männer, erklärte er schließlich, seien eitle Taugenichtse, die es als ihr Geburtsrecht ansähen, das schwer erarbeitete Vermögen ihrer Väter zu verprassen, ihm aber habe der Himmel eine rühmliche Ausnahme geschickt. Er erhob das Glas auf den besten Neffen der Christenheit und auf sein ‹treues Frauchen.› Er ermahnte Gloria eindringlich, seine zukünftigen Söhne mit meinem Bild im Geiste aufzuziehen, und das treue Frauchen sagte: ‹Mögen Sie das Ebenbild unseres Neffen sein, mein Gemahl.› Dann spielten Theo und ich eine Partie Schach, und es war eine wahre Herausforderung für meine Geschicklichkeit, de Zoet, mich von dem Tölpel besiegen zu lassen.»
Eine Biene schwirrt vor Jacobs Gesicht und fliegt davon.
«Da er Glorias und meine Treue somit als bewiesen sah, nahm er sich die Freiheit, sich in die Kapstadter Gesellschaft zu begeben. Er verbrachte den Großteil des Tages in der Stadt, und manchmal blieb er sogar über Nacht. Ich wurde mit der Aufgabe betreut, in der Bibliothek Schriftstücke abzuschreiben. ‹Ich würde dich ja mitnehmen› sagte er, ‹aber die Kaffern sollen wissen, dass ein Weißer im Haus ist, der mit einer Flinte umgehen kann.› Gloria wurde ihren Büchern, ihrem Tagebuch und den ‹lehrreichen Geschichten› der Schwestern überlassen, eine Quelle, die täglich um drei Uhr versiegte, wenn die den Otters, vom Brandy ermattet, in tiefsten Mittagsschlaf sanken.»
Der leere Bierkrug rollt das Dach hinunter, fällt durch die Glyzinienspaliere und zerspringt im Innenhof. «Das eheliche Schlafzimmer lag am anderen Ende eines fensterlosen Flures, und ich gebe zu, an diesem einen Nachmittag fiel es mir besonders schwer, mich auf die Korrespondenz zu konzentrieren ... In meiner Erinnerung ist die Uhr in der Bibliothek stumm. Vielleicht war sie stehengeblieben. Goldamseln sangen in fiebrigen Chören, und plötzlich hörte ich, wie ein Schlüssel umgedreht wurde ... Ich trat hinaus in den Flur ... knisternde Stille ... und dann tauchte am anderen Ende ihre Silhouette auf. Sie ...», van Cleef reibt sich das braungebrannte Gesicht, «... ich hatte Angst, Aagje könnte uns entdecken, aber sie sagte: ‹Hast du es noch nicht bemerkt? Aagje ist in den ältesten Sohn der Nachbarfarm verliebt›, und plötzlich erschien es mir als die natürlichste Sache auf der Welt, ihr meine Liebe zu gestehen, und sie küsste mich und sagte, dass sie meinen Onkel nur erträgt, weil sie sich vorstellt, ich sei er. Ich fragte: ‹Was ist, wenn du ein Kind bekommst›, aber sie machte nur: ‹Schsch ...›»
Schlammbraune Hunde rennen durch die schlammbraune Straße.
«Die Vier war unsere Unglückszahl. Als Gloria und ich zum vierten Mal beieinanderlagen, wurde Onkel Theo auf dem Weg nach Kapstadt von seinem Pferd abgeworfen. Er ging zu Fuß zurück zur Villa, und so hörten wir ihn nicht. Eben noch steckte ich splitternackt tief in Gloria drin, und im nächsten Moment lag ich splitternackt in den Scherben des Spiegels, in den mein Onkel mich geschleudert hatte. Er brüllte, er würde mir die Kehle durchschneiden und mich den wilden Tieren zum Fraß vorwerfen. Dann befahl er mir, in die Stadt zu fahren, bei seinem Handelsbevollmächtigten fünfzig Gulden abzuheben und dafür zu sorgen, dass ich zu krank sei, um mich auf der Enkhuizen einzuschiffen, wenn sie nach Batavia absegelte. Zuletzt schwor er, alles, was ich in seiner Frau, der Hure, hinterlassen hätte, mit dem Löffel herauszukratzen. Zu meiner Schande - oder zu meinem Glück, ich weiß es nicht, verließ ich das Haus, ohne mich von Gloria zu verabschieden.» Van Cleef reibt
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