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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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schriftlich eine Weisung zu erteilen?»
    « Ich bin die schriftliche Weisung, Herr Kontorleiter! Aber Sie müssen mir nicht glauben. Kapitän Penhaligon lädt Sie -sowie den Herrn Doktor und Herrn Ouwehand - ein, heute Abend auf der Phoebus mit ihm zu speisen. Seine Leutnants sind ein famoser Zirkel. Einer, er heißt Hovell, spricht fließend Niederländisch. Der oberste seiner Marinesoldaten, Major Cutlip, ist weit herumgekommen und hat sogar schon in Neusüdwales gelebt.»
    Die Arbeiter brechen in Gelächter aus. «Major Hasenscharte?», fragt Grote. «So kann doch keiner heißen!»
    «Segeln die Engländer friedlich ab», fragt Jacob, «wenn wir das Angebot ablehnen?»
    «Es liegt wohl kaum bei Ihnen, über Annahme oder Ablehnung zu entscheiden, Herr Kontorleiter. Jetzt, da Faktor van Cleef und ich zurück sind, kann die Republik Dejima wieder in der Sandkiste spielen und -»
    «So einfach geht das nicht!», sagt Grote. «Wir haben Herrn de Zoet zum Präsidenten gewählt!»
    «Präsident?» Fischer spielt den Erstaunten. «Meine Güte!»
    «Wir brauchen so einen wie ihn», erklärt Arie Grote, «einen, der zu seinem Wort steht und sich um unsere Interessen kümmert.»
    «Wollen Sie etwa andeuten», Fischers Mund verzieht sich zu einem Lächeln, «ich stünde nicht zu meinem Wort?»
    «Erinnern Sie sich noch an einen gewissen Frachtbrief», sagt Grote, «den Sie mit Freuden unterschrieben haben, nachdem Herr de Z. sich geweigert hatte?»
    «Herr de Zoet wurde von Vorstenbosch beschissen», sagt Piet Baert, «aber er würde uns nie bescheißen.»
    Jacob ist von dem großen Rückhalt durch die Arbeiter ebenso überrascht wie Fischer.
    Fischers Stimme bekommt einen schneidenden Klang. «Mit dem Treueeid der Kompanie haben Sie Gehorsam geschworen.»
    «Der Treueeid der Kompanie», wendet Marinus ein, «hat mit dem ersten Januar seine Wirksamkeit verloren.»
    «Aber wir sitzen doch alle im selben Boot, Leute!» Fischer bemerkt, dass er die Lage falsch eingeschätzt hat. «Über die Fahne lässt sich sicher reden. Was bedeutet schon ein rechteckiges Stück Stoff? Ich werde später mit dem Statthalter darüber sprechen - und um meinen guten Willen zu bekunden, darf Ihr ‹Präsident› mich gerne begleiten. Inzwischen kann die ‹Republik Dejima› ...»
    Ein Name , denkt Jacob, verleiht der benannten Sache Gewicht, selbst wenn er spöttisch gemeint ist.
    «... nach Herzenslaune debattieren. Wenn Jacob und ich wieder auf der Phoebus sind, kann er Kapitän Penhaligon über die Lage an Land berichten. Aber vergessen Sie nicht, wir sind zwanzigtausend Kilometer von zu Hause entfernt. Vergessen Sie nicht, dass Dejima ein Handelsposten ohne Handel ist. Und vergessen Sie nicht, dass die Japaner zu einer Zusammenarbeit mit den Engländern überredet werden wollen. Wenn wir die richtige Entscheidung treffen, verdienen wir Geld und schützen unsere Familien vor der Armut. Wer, in Gottes Namen, könnte dagegen Einspruch erheben?»

    Dolmetscher Goto befühlt mit müden Augen den Bartschatten an seinem Kinn. «Ist Niederländer Wilhelm V. König oder nicht König?» Die Almelo-Uhr im Arbeitszimmer des Faktors schlägt einmal. Titel, Titel , denkt Jacob. So töricht und doch so wichtig. «Er ist nicht König.»
    «Warum Wilhelm V. benutzt dann Titel ‹Fürst von Oranien und Nassau›?»
    «Oranien-Nassau ist - oder war - der Name des Herrschaftsgebietes seiner Vorfahren, vergleichbar mit einem japanischen Lehen. Aber zugleich war er Statthalter, das heißt, der oberste Heer- und Marineführer.»
    «Dann ist er wie japanischer Shōgun?», erkundigt sich Iwase.
    Doge von Venedig wäre der bessere Vergleich, aber das würde noch mehr Verwirrung stiften.
    «Der Statthalter war ein Wahlamt, das jedoch stets dem Hause Oranien zukam. Als Statthalter Wilhelm ...», Jacob zeigt auf die Unterschrift auf dem Dokument, «... die Tochter eines preußischen Prinzen heiratete, gebärdete er sich wie ein von Gott berufener Monarch. Vor fünf Jahren aber» - die Japaner wissen noch nichts von der französischen Besetzung - «hat das niederländische Volk unsere Regierungsform gewechselt ...»
    Die beiden Dolmetscher werfen sich bange Blicke zu.
    «... und Statthalter Wilhelm wurde ... ach, wie sagt man ‹ins Exil geschickt› auf Japanisch?»
    Goto liefert das fehlende Wort, und Iwase versteht den Satz.
    «Da Wilhelm nun in London weilte», endet Jacob, «wurde sein altes Amt abgeschafft.»
    «Dann Wilhelm V.» - Namura will es ganz genau wissen

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