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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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gestimmt durch Tozers Unfall. Auf dem Achterdeck entfernen sie die Holzverkleidung vom Schanzkleid und rollen die kurzläufigen Kanonen in Stellung.
    Penhaligon befiehlt: «Laden Sie mit Kettenkugeln, Mr. Waldron.»
    «Wenn wir auf die Fahne zielen, Sir, könnten ...» Hauptkanonier Waldron zeigt auf den Wachtturm, der sich nur fünf Yards unterhalb der Fahnenmastspitze befindet.
    «Vier pfeifende, rotierende, schartige, rostige Kettenkugeln» - Major Cutlip strahlt wie ein geiler Lüstling - «und wir reißen ihnen das Lächeln aus den niederländischen Visagen ...»
    «... und die Visagen aus den Köpfen», fügt Wren hinzu, «und die Köpfe von den Schultern.»
    Die Pulveräffchen klettern mit den Sprengstoffsäcken aus den Luken.
    Der Kapitän erkennt Moff, den Jungen aus Penzance. Sein Gesicht ist blass, die Wangen gerötet.
    Die Pulverladung wird mit Ansetzern in die Zündkammern gerammt.
    Rasselnde Kugeln an rostigen Ketten werden in die kurzen Rohre gelegt.
    «Zielt auf die Fahne, Männer», ruft Waldron. «Nicht so hoch, Hal Yeovil.»
    Penhaligons ganzes rechtes Bein glüht vor Schmerz.
    Die Gicht besiegt mich , erkennt er. In spätestens einer Stunde bin ich ans Bett gefesselt.
    Dr. Marinus scheint seinem Landsmann Vorhaltungen zu machen.
    Aber de Zoet , tröstet sich der Kapitän, ist in spätestens einer Minute tot.
    «Befestigt die Brooktaue zweifach», befiehlt Waldron. «Ihr habt eben gesehen, warum.»
    Sollte Hovell recht haben?, denkt der Kapitän. Wurden meine Gedanken in den vergangenen drei Tagen vom Schmerz gelenkt?
    «Karronaden feuerbereit, Sir», ruft Waldron, «auf Ihren Befehl.»
    Der Kapitän holt Luft, um das Todesurteil über die beiden Niederländer auszusprechen.
    Sie wissen es. Marinus hält sich am Geländer fest und blickt woanders hin. Sein Gesicht zittert, aber er rührt sich nicht vom Fleck.
    De Zoet nimmt den Hut ab; sein widerspenstiger, zerzauster Schopf ist kupferrot ...
    ... und Penhaligon sieht Tristram, seinen schönen, heißgeliebten, rothaarigen Sohn, der dem Tod ins Auge blickt ...

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    XXXVIII

    Der Wachtturm auf Dejima

    Mittag des 20. Oktober 1800
     
    William Pitt schnaubt verstimmt, als auf der Treppe Schritte ertönen. Jacob de Zoet hält das Fernrohr auf die Phoebus gerichtet: Die Fregatte kreuzt einen Kilometer weit draußen geschickt gegen den nassen Nordwestwind, fährt vorbei an der chinesischen Faktorei - einige Bewohner sehen sich von den Dächern aus das Spektakel an - und von der Seite auf Dejima zu.
    «Hat Arie Grote Ihnen seinen vermeintlichen Boa-Constrictor-Hut doch noch verehrt?»
    «Ich hatte alle Mitarbeiter aufgefordert, sich in die Residenz des Statthalters zu begeben, Herr Doktor. Sie auch.»
    «Wenn Sie hier oben bleiben, Domburger, werden Sie einen Arzt brauchen.»
    Die Fregatte öffnet ihre Stückpforten, ein Geräusch, als würden Nägel eingeschlagen.
    «Oder» - Marinus putzt sich die Nase - «einen Totengräber. Für heute hat es sich eingeregnet. Hier» - er raschelt mit etwas -, «Kobayashi schickt Ihnen einen Regenmantel.»
    Jacob senkt das Fernrohr. «Ist der Vorbesitzer an den Pocken gestorben?»
    «Eine freundliche Geste für einen toten Feind, damit Ihr Geist ihn nicht heimsucht.»
    Jacob legt sich den Strohmantel um die Schultern. «Wo ist Eelattu?»
    «Dort, wo sich jetzt jeder vernünftige Mensch aufhält, in unserem Quartier beim Statthalter.»
    «Hat Ihr Cembalo den Transport schadlos überstanden?»
    «Das Cembalo und auch die Arzneibücher: Tun Sie dasselbe.»
    Feiner Regen streift Jacobs Gesicht. «Mein Platz ist auf Dejima.»
    «Falls Sie glauben, die Briten würden nicht schießen, weil ein arroganter Beamter ...»
    «Ich glaube nichts dergleichen, Herr Doktor, aber -» Er sieht, dass mindestens zwanzig Seeleute in scharlachroten Jacken in die Wanten steigen. «Sie machen sich bereit, mögliche Enterer abzuwehren ... vermute ich. Um auf uns zu schießen, müssten sie bis auf ... einhundert Meter herankommen. Das Risiko, in feindlichen Gewässern auf Grund zu laufen, wäre zu groß.»
    «Mir wäre eine Ladung Musketenkugeln lieber als eine Salve Breitseiten.»
    Gib wir Mut , betet Jacob. «Mein Leben liegt in Gottes Händen.»
    «Ach», seufzt Marinus, «diese wenigen frommen Worte können so viel Leid verursachen.»
    «Begeben Sie sich in unser Quartier, dann müssen Sie das Leid nicht erdulden.»
    Marinus lehnt sich ans Geländer. «Der junge Oost glaubt, Sie hätten eine geheime Waffe in der Hinterhand, eine Taktik,

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