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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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Beweis dafür auszuplappern, dass er ebenso viel weiß wie der Novize Jiritsu. «Warum habt Ihr sie entführt, obwohl ein Mann Eures Standes sich jede Frau aussuchen kann?»
    «Sie und ich haben auch Gemeinsamkeit. Sie, ich, sie. Ein schönes Dreieck ...»
    Es ist ein Viereck , denkt Jacob, und die vierte Ecke heißt Ogawa Uzaemon.
    «... aber jetzt ist sie sehr zufrieden.» Enomoto hat ins Japanische gewechselt. «Ihre Arbeit in Nagasaki war wichtig, aber ihre Aufgabe auf dem Shiranui ist bedeutender. Sie dient dem Lehen Kyōga. Sie dient der Göttin. Sie dient meinem Orden.» Er lächelt mitleidvoll über Jacobs Machtlosigkeit. «Und jetzt begreife ich. Unsere Gemeinsamkeit war nicht das Quecksilber. Es war Orito.»
    Der weiße Schmetterling fliegt vor Enomotos Gesicht vorbei.
    Die Hand des Abts kreist über dem Schmetterling ...
    ... und das Insekt fällt leblos wie ein Papierornament in den dunklen Teich.
    Kammerherr Tomine erblickt den Niederländer und den Abt und bleibt stehen.
    «Unsere Gemeinsamkeit ist zu Ende, Faktor de Zoet. Erfreuen Sie sich eines langen, langen Lebens.»

    Dünne Papiertrennwände verbergen den schönen Blick auf Nagasaki, und die trauervolle Atmosphäre, die im Raum der Letzten Chrysantheme herrscht, erinnert Jacob an eine stille Kapelle in einer belebten Hauptstraße zu Hause. In einer Vase stehen verblasste rosa und orangefarbene Blumen. Jacob und Goto knien auf der moosgrünen Matte vor dem Statthalter: In den letzten beiden Tagen , denkt Jacob, bist du um fünf Jahre gealtert.
    «Der niederländische Faktor ist sehr liebenswürdig, uns in dieser ... arbeitsreichen Zeit einen Besuch abzustatten.»
    «Für den ehrenwerten Statthalter ist diese Zeit gewiss ebenso arbeitsreich.» Der Niederländer weist Goto an, dem Statthalter auf angemessen formelle Weise seinen Dank für die Unterstützung in der jüngsten Krise zu übermitteln.
    Goto erfüllt seine Aufgabe vorbildlich: Jacob eignet sich das japanische Wort für «Krise» an.
    «Ausländische Schiffe», antwortet der Statthalter, «haben schon mehrfach unsere Gewässer heimgesucht. Alle ließen früher oder später ihre Kanonen sprechen. Die Phoebus war uns ein Prophet und Lehrmeister, und nächstes Mal ...», er zieht geräuschvoll Luft ein, «werden die Diener des Shōguns besser vorbereitet sein. Ihre ‹Pontonbrücke› ist in meinem Bericht für Edo festgehalten. Aber dieses Mal stand das Glück nicht auf meiner Seite.»
    Jacobs gestärkter Kragen scheuert am Hals.
    «Ich habe Sie gestern beobachtet», sagt der Statthalter, «auf dem Wachtturm.»
    «Ich danke Ihnen für ...», Jacob sucht nach den passenden Worten, «für Ihre Besorgnis.»
    «Ich habe geglaubt, Phoebus sei mit Donner und fliegenden Blitzen bewaffnet.»
    «Zu meinem Glück sind die Engländer nicht so zielsicher wie Zeus.»
    Shiroyama öffnet den Fächer und klappt ihn wieder zu. «Hatten Sie Angst?»
    «Ich wünschte, ich könnte es verneinen, aber ... ich habe mich noch nie so gefürchtet.»
    «Aber Sie haben dort oben ausgeharrt, obwohl Sie hätten fliehen können.»
    Nicht mehr nach der zweiten Salve , denkt Jacob. Der Fluchtweg war zerstört. «Mein Onkel, der mich aufgezogen hat, schimpfte stets über meine -», er bittet Goto, «Sturheit» zu übersetzen.
    Draußen durchkämmt der Bambus den Wind. Das Rascheln klingt alt und traurig.
    Shiroyamas Blick gleitet über die Schriftrolle in Jacobs Jacke ...
    ... aber der Statthalter sagt: «Mein Bericht nach Edo muss sich einer Frage zuwenden.»
    «Wenn ich kann, Exzellenz, werde ich sie beantworten.»
    «Warum sind die Engländer abgesegelt, bevor Dejima zerstört wurde?»
    «Dieses Rätsel hat mich die ganze Nacht beschäftigt, Exzellenz.»
    «Sie haben doch sicher gesehen, dass die Kanonen auf dem Achterdeck geladen wurden.»
    Jacob lässt Goto erläutern, dass Kanonen dazu dienen, große Löcher in Schiffe und Mauern zu reißen, während Karronaden eingesetzt werden, kleine Löcher in möglichst viele Menschen zu reißen.
    «Warum haben die Engländer den Anführer ihres Feindes dann nicht mit diesen ‹Karronaden› getötet?»
    «Wahrscheinlich wollte der Kapitän Nagasaki verschonen.» Jacob zuckt die Achseln. «Wahrscheinlich geschah es aus ...» Er lässt Goto «Barmherzigkeit» übersetzen.
    Zwei, drei Zimmer weiter ertönt eine gedämpfte Kinderstimme.
    Der berühmte Sohn des Statthalters, vermutet Jacob, den Orito auf die Welt geholt hat.
    «Vielleicht», Shiroyama begutachtet seinen Daumen, «haben

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