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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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maurischen Stil, einen Straußenfederhut und über den Schuhen weiße Gamaschen. Van Cleef und ich trugen ein ähnlich wildes Mischmasch, und so gaben wir ein formidables Trio ab, das verschimmelten französischen Pasteten glich. Wir kamen in Sänften zum Burgtor, dann marschierten wir zu Fuß drei Stunden lang durch Korridore, Höfe und weitere Tore, tauschten in Vestibülen gestelzte Höflichkeiten mit Beamten, Ratsmitgliedern und Prinzen aus, bis wir schließlich in den Thronsaal gelangten. Dort ließ sich die Mär nicht länger aufrechterhalten, dass es sich beim Hofempfang um einen Hofempfang handelt und nicht um eine zehnwöchige Pilgerreise, die dazu dient, Tribut zu leisten und Schleim zu scheißen. Der Shōgun - halb verborgen hinter einem Wandschirm - saß im erhöhten Hintergrund des Saals. Als sein Vorsprecher ‹Oranda Kapitan› meldete, eilte Hemmij im Krebsgang Richtung Shōgun, kniete an der aufgezeigten Stelle nieder, ohne die hochstehende Persönlichkeit auch nur ansehen zu dürfen, und wartete stumm, bis der große General und Unterwerfer der Barbaren den Finger hob. Ein Kammerherr verlas einen seit ungefähr 1660 unveränderten Text, der uns verbot, unseren frevelhaften christlichen Glauben zu missionieren und uns den chinesischen Dschunken oder den Bewohnern der Ryūkū-Inseln zu nähern. Zudem wurde uns befohlen, jede gegen Japan gerichtete Absicht zu melden, die uns zu Ohren käme. Hemmij tippelte rückwärts zurück, und damit war das Zeremoniell beendet. Noch am selben Abend, so steht es in meinem Tagebuch, klagte Hemmij über Bauchgrimmen, aus dem auf der Rückreise die Ruhr wurde - eine zugegebenermaßen unsichere Diagnose.»
    Eelattu hat die Stopfarbeit beendet und rollt die Futons aus.
    «Ein ekelhafter Tod. Es regnete ohne Unterbrechung. Der Ort hieß Kakegawa. ‹Nicht hier, Marinus, nicht so›, stöhnte er und starb ...»
    Jacob stellt sich ein Grab in heidnischer Erde vor und wie sein eigener Leichnam darin hinabgesenkt wird.
    «... als verfügte ich, ausgerechnet ich, über die Macht der göttlichen Fürbitte.»
    Sie hören, dass das Tosen des Taifuns seine Klangfarbe geändert hat.
    «Das Auge ...», Marinus blickt nach oben, «... ist genau über uns.»

[Menü]
    XII

    Das Empfangszimmer im Haus des Faktors auf Dejima

    Kurz nach zehn Uhr am 25. Oktober 1799
     
    «Wir sind alle sehr beschäftigt.» Unico Vorstenbosch nimmt Dolmetscher Kobayashi über den großen Tisch hinweg ins Visier. «Bitte lassen Sie das schmückende Beiwerk ausnahmsweise weg und nennen Sie mir die Zahl.»
    Nieselregen zischt auf den Dächern. Jacob taucht die Feder ein.
    Dolmetscher Iwase übersetzt für Kammerherr Tomine. Er hat die malvenverzierte Schriftrolle überbracht, die heute Morgen aus Edo eingetroffen ist.
    Kobayashi hat die niederländische Übersetzung des Erlasses aus Edo zur Hälfte abgespult.
    «Zahl?»
    «Wie», Vorstenboschs Geduld ist strapaziert, «lautet das Angebot des Shōguns?»
    «Neuntausendsechshundert Pikol», erklärt Kobayashi. «Bestes Kupfer.»
    9600 , kratzt Jacobs Feder, Pikol Kupfer.
    «Das ist gutes Angebot», beteuert Iwase Banri, «und große Erhöhung.»
    Ein Schaf blökt. Jacob kann nicht einschätzen, was sein Mentor denkt.
    «Wir verlangen zwanzigtausend Pikol», sagt Vorstenbosch, «und man bietet uns nicht einmal zehn? Will der Shōgun Gouverneur van Overstraten beleidigen?»
    «Quantum in einem Jahr verdreifachen», Iwase ist nicht dumm, «ist nicht Beleidigung.»
    «So viel Großzügigkeit», Kobayashi geht zum Angriff über, «es hat noch nie gegeben. Ich mich viele Wochen sehr bemüht, Ergebnis zu erreichen.»
    Vorstenbosch wirft Jacob einen Blick zu, der sagt: Nicht aufschreiben.
    «Kupfer kann hier sein», sagt Kobayashi, «in zwei bis drei Tagen, wenn Sie schicken.»
    «Speicher ist in Saga», sagt Iwase, «Burgstadt in Hizen, nicht weit. Ich überrascht, Edo gibt frei so viel Kupfer. Wie hohes Mitglied von Rat sagt ...», er zeigt auf die Schriftrolle, «... die meisten Speicher sind leer.»
    Vorstenbosch greift unbeeindruckt nach der niederländischen Übersetzung und fängt an zu lesen.
    Das Pendel der Almelo-Uhr kratzt an der Zeit wie die Schaufel eines Totengräbers.
    Wilhelm der Schweiger blickt in eine Zukunft, die längst Vergangenheit geworden ist.
    «Warum ...», Vorstenbosch blickt Kobayashi über die Lesebrille hinweg an, «... wird in dem Brief nicht ein Wort über Dejimas drohende Schließung verloren?»
    «Ich nicht dabei», antwortet

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