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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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überleben.»
    «Das kann der arme Mischling da ...», Baert deutet mit einem Nicken auf den Eurasier, «... nicht von sich behaupten.»
    Wie auf ein Stichwort fängt der junge Mann in unverkennbarer Weise an zu husten.
    Hanzaburo wird von einem umherschlendernden Inspektor auf die andere Straßenseite gerufen.
    Jacob sieht zu, wie der Eurasier hustend in die Knie geht. «Wer ist das?»
    Grote spuckt aus. «Shunsuke Thunberg, aber die Frage heißt wohl eher: Von wem ist er? Sein Herr Papa, erzählt man sich, war ein gewisser Carl Thunberg aus Schweden, der hier vor zwanzig Jahren für ein paar Jahre Quacksalber war. Wie Dr. M. war er ein gebildeter Herr und anscheinend ganz versessen aufs Pflanzensammeln. Aber wie Sie sehen, hat er nicht nur Samen geerntet.»
    Ein dreibeiniger Hund leckt den Auswurf des kahlköpfigen Kochs auf.
    «Hat Herr Thunberg denn für die Zukunft seines Sohnes keine Vorsorge getroffen?»
    «Kann schon sein», Grote saugt Luft durch die Zähne, «aber ‹Vorsorge› bedeutet Unterhalt, und Schweden ist so weit weg wie der Saturn. Die Kompanie hat Mitleid mit den Bastarden ihrer Leute und sorgt für sie, aber sie dürfen Nagasaki nicht ohne Erlaubnis verlassen, und der Statthalter kann bestimmen, wie sie leben, wen sie heiraten und so weiter. Mädchen verdienen ziemlich gut, solange sie jung und knackig sind. ‹Korallen von Maruyama› nennen sie die Kuppler. Jungen haben’s schwerer: Thunberg junior züchtet Goldfische, habe ich gehört. Aber nicht mehr lange, und er züchtet Würmer, so viel steht fest.»
    Marinus kommt mit einem älteren japanischen Gelehrten aus dem Krankenhaus.
    Jacob erkennt Dr. Maeno aus der Dolmetscherzunft.
    Shunsuke Thunbergs Hustenanfall legt sich langsam.
    Ich hätte ihm meine Hilfe anbieten sollen , denkt Jacob. «Spricht der arme Kerl Niederländisch?»
    «Nee. Er steckte noch in den Windeln, als sein Vater sich davonmachte.»
    «Was ist mit der Mutter? Vermutlich eine Kurtisane.»
    «Die ist lange tot. Und jetzt entschuldigen Sie uns, Herr de Z., im Zollhaus warten drei Dutzend Hühner darauf, dass sie auf die Shenandoah verladen werden. Da muss man aufpassen wie ein Schießhund: Im letzten Jahr war die eine Hälfte halb tot und die andere mausetot, und drei waren Tauben, die der Furier ‹seltene japanische Hennen› nannte.»
    «Züchtet Würmer!» Baert lacht schallend auf. «Du bist mir vielleicht ’ne Marke, Grote!»
    In Baerts Sack strampelt etwas, und Grote hat es plötzlich eilig.
    «Jetzt aber zack, zack!» Sie eilen die Lange Straße hinunter. Jacob sieht zu, wie Shunsuke Thunberg ins Krankenhaus gebracht wird.
    Vögel durchschneiden den tief hängenden Himmel. Der Herbst wird alt.
     
    Auf der Treppe der Faktorenresidenz trifft Jacob auf Ogawa Mimasaku, Ogawa Uzaemons Vater.
    Jacob tritt zur Seite. «Guten Tag, Dolmetscher Ogawa.»
    Die Hände des älteren Mannes sind in seinen Ärmeln versteckt. «Sekretär de Zoet.»
    Ich habe den jungen Herrn Ogawa seit ... ich glaube, schon seit vier Tagen nicht mehr gesehen.»
    Ogawa Mimasakus Gesicht ist hochmütiger und undurchdringlicher als das seines Sohnes.
    Unter einem Ohr befindet sich eine große, tintenblaue Geschwulst.
    «Mein Sohn», sagt der Dolmetscher, «hat derzeit sehr viel außerhalb von Dejima zu erledigen.»
    «Wissen Sie, wann er wieder im Dolmetscherhaus sein wird?»
    «Bedaure.» Der schroffe, zurückweisende Ton ist gewollt.
    Weißt du etwa , denkt Jacob, worum ich deinen Sohn gebeten habe?
    Aus dem Zollhaus dringt aufgebrachtes Hühner gackern.
    Ein unbedacht geworfener Stein , denkt er beunruhigt, kann bisweilen einen Steinschlag auslösen.
    «Ich war besorgt, er sei vielleicht krank oder ... oder fühle sich nicht wohl.»
    Ogawa Mimasakus Diener sehen den Niederländer missbilligend an.
    «Es geht ihm gut», sagt der alte Herr. «Ich werde Ihre freundliche Anteilnahme ausrichten. Guten Tag.»
     
    «Ich befinde mich ...», Vorstenbosch betrachtet eine aufgeblasene Aga-Kröte in einem Probenglas, «... in einer stillen Unterhaltung mit Dolmetscher Kobayashi.»
    Jacob sieht sich im Zimmer um, bis er begreift, dass der Faktor die Kröte meint. «Ich habe meinen Humor wohl heute Morgen im Bett vergessen.»
    «Wie ich sehe ...», Vorstenbosch richtet den Blick auf Jacobs Aktenmappe, «... gilt das nicht für Ihren Bericht.»
    Was , überlegt Jacob, hat dieser Wechsel von «unserem» zu «Ihrem » Bericht zu bedeuten ?
    «Das Wesentliche kennen Sie ja schon aus unseren gemeinsamen

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