Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
Sitzungen.»
«Das Gesetz benötigt nicht das Wesentliche, sondern Einzelheiten.» Der Faktor streckt die Hand nach der Mappe aus. «Einzelheiten schaffen Fakten, und Fakten, die mit Bedacht veröffentlicht werden, können zielsicher töten.»
Jacob nimmt das schwarze Buch aus der Tasche und überreicht es dem Faktor.
Vorstenbosch wiegt es in den Händen, als wolle er das Gewicht ermitteln.
«Wenn ich um Verzeihung bitten dürfte, aber ich bin neugierig ...»
«... wegen der Stellung, die Sie im nächsten Jahr bekommen sollen, ja. Aber Sie müssen sich wie alle anderen bis zum Essen der leitenden Angestellten heute Abend in Geduld fassen, junger Mann. Das Kupferquantum war das vorletzte Element meiner Pläne für die Zukunft, und das ...», Vorstenbosch hält das schwarze Buch hoch, «... ist das letzte.»
Am Nachmittag sitzt Jacob mit Ouwehand im Kontor, wo sie die Frachtbriefe der laufenden Handelszeit für das Archiv kopieren. Peter Fischer taucht ständig auf, verschwindet wieder und verströmt noch mehr Feindseligkeit als sonst. «Ein Zeichen», sagt Ouwehand zu Jacob, «dass er glaubt, die Stellung als Kontorleiter sei so gut wie sicher an Sie vergeben.» Der Abend bringt Dauerregen und die kühlste Luft der Jahreszeit, und so beschließt Jacob, vor dem Abendessen zu baden. Das kleine Badehaus von Dejima ist an die Küche der Dolmetscherzunft angeschlossen: Das Wasser wird in Töpfen auf kupferbeschlagenen Kamineinsätzen erhitzt, die aus der Steinwand ragen, und obwohl die Kompanie die maßlosen Kosten für Holzkohle und Reisigbündel tragen muss, erlaubt es die Tradition den hochrangigen Dolmetschern, das Badehaus als ihr Eigentum zu betrachten. Jacob zieht sich in der Außenumkleide aus und betritt mit eingezogenem Kopf den dampfenden Raum, der kaum größer ist als eine Besenkammer. Es riecht nach Zedernholz. Heiße, feuchte Luft dringt in Jacobs Lunge und öffnet die verstopften Poren in seinem Gesicht. Eine einzelne, vom Dampf beschlagene Sturmlampe spendet gerade genug Licht, dass er Con Twomey in einem der beiden Zuber erkennt. «Also ist es doch Jean Calvins Schwefelgestank», sagt der Ire auf Englisch, «der mir in der Nase juckt.»
«Ach nein ...», Jacob nimmt die Schöpfkelle und übergießt sich mit lauwarmem Wasser, «... der irrgläubige Papist ist mal wieder der Erste im Badehaus! Wohl nicht genug zu tun?»
«Der Taifun hat mir alles gegeben, was ich mir nur wünschen kann. Was mir fehlt, ist Tageslicht.»
Jacob reibt sich den Körper mit einem Segeltuchlappen ab. «Wo ist Ihr Spitzel?»
«Unter meinem fetten Arsch ertrunken. Wo ist Ihr Hanzaburo?»
«Stopft sich in der Zunftküche den Wanst voll.»
«Tja, die Shenandoab segelt nächste Woche ab, da muss er sich mästen, solange er noch kann.» Twomey taucht wie eine Seekuh bis zum Kinn ins Wasser. «In zwölf Monaten laufen meine fünf Dienstjahre ab ...»
«Haben Sie vor ...», Jacob wendet sich ab, um sich zwischen den Beinen zu waschen, «... nach Hause zurückzukehren?»
Die beiden hören, wie sich die Köche in der Dolmetscherzunft unterhalten.
«Ich glaube, ein Neuanfang in der Neuen Welt würde mir besser gefallen.»
Jacob hebt den Holzdeckel vom Badezuber.
«Lacy sagt», fährt Twomey fort, «westlich von Louisiana wären alle Indianer vertrieben ...»
Die Wärme durchdringt jeden Muskel und jeden Knochen von Jacobs Körper.
«... und dass ein Mann, der sich nicht vor schwerer Arbeit scheut, dort immer gut zu tun hat. Siedler brauchen Wagen, um zu ihrem Ziel zu kommen, und Häuser, wenn sie dort sind. Lacy meint, ich könnte mir die Überfahrt von Batavia nach Charleston als Schiffszimmerer verdienen. Ich bin nicht scharf auf einen Krieg oder darauf, von den Briten gezwungen zu werden, für sie zu kämpfen. Würden Sie bei der momentanen Wetterlage nach Holland zurückkehren?»
«Ich weiß es nicht.» Jacob stellt sich Annas Gesicht hinter einem verregneten Fenster vor. «Ich weiß es wirklich nicht.»
«Sicher werden Sie ein Kaffeekönig mit einer Pflanzung in Buitenzorg oder ein Handelsfürst mit nagelneuen Speichern am Ufer des Ciliwung.»
«Einen so hohen Preis hat mein Quecksilber nicht erzielt, Con Twomey.»
«Schon möglich, aber wenn Ratsmitglied Unico Vorstenbosch die Strippen für Sie zieht ...»
Jacob steigt in den zweiten Zuber und denkt an seinen Bericht.
Unico Vorstenbosch , möchte er erwidern, ist ein äußerst wankelmütiger Mentor.
Die Hitze macht seine Gelenke weich und befreit ihn von dem
Weitere Kostenlose Bücher