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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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freundliches Licht fiel durch ein kleines Fenster herein. Der Farbe der Sonne nach zu urteilen war es später Nachmittag.
Ihr Körper fühlte sich gestärkt an und rein. Verströmten ihre Füße wirklich einen leichten Duft von Blüten und Pfefferminze?
    Auf dem sauber gefegten Boden lag ein dünner Teppich. Neben ihrem Lager stand ein Krug mit Wasser. Betty goss etwas davon in eine Schale und war überrascht, dass sie kaum mehr als eine davon austrinken konnte. Wann hatte sie zuletzt etwas zu trinken gehabt? Oder hatte man ihr etwa im Schlaf Wasser eingeflößt?
    Die Tür schwang auf und eine junge Frau kam herein. »Guten Abend. Ich bin Ling. Ich habe Befehl, sofort zu melden, wenn Sie wach sind. Fühlen Sie sich bereit für ein Gespräch mit der Dame Sahing?«
    »Wo bin ich?« Betty hatte sich auf ihrer Liege aufgesetzt. Der Sari, den sie trug, war zwar der ihre, aber er schien plötzlich sauber zu sein. Auch die Seidenschuhe neben ihrem Bett waren wieder weiß und weich wie je zuvor. »Welcher Tag ist heute?« Sogar ihr Stoffbeutel lag auf einem kleinen Stühlchen, das man neben ihr Lager gestellt hatte.
    Ling sah sie an, ohne zu lächeln. »Sie haben mehr als eine Woche lang geschlafen. Unsere Kämpfer mussten Sie und Ihre Dienerin leider betäuben, um Sie aus den Fängen der Taiping befreien zu können. Es war eine gefährliche Mission, zu Land und zu Wasser, daher konnten wir Sie nicht bei Bewusstsein lassen. Es ist nicht gut, zu viel zu sehen. Aber diese Gefahr ist zumindest vorüber. Und machen Sie sich keine Gedanken über die Auswirkungen auf Ihre Gesundheit. Wir verwenden keine Drogen, um unsere Gefangenen zu betäuben, die Kämpfer verwenden lediglich bestimmte Griffe, die das Bewusstsein ausschalten. Sie sind hier außerhalb von Schanghai in einem Landhaus. Im Moment droht Ihnen keine Gefahr.«
    Betty war sich nicht sicher, ob sie sich an alle Details ihrer
Gefangenschaft bei den Taiping erinnerte. Jetzt, wo sie sich aufgesetzt hatte, schmerzte ihr Kopf leicht, und es war, als sei sie aus einem langen geheimnisvollen Traum erwacht. Sie schlüpfte in ihre Schuhe und fand, dass auch ihre Haut sich rein und weich anfühlte, fast so, als habe man auch ihren Körper gereinigt und nicht nur ihre Kleidung. War sie nicht eben noch als Gefangene bezeichnet worden?
    Ling schien ihre Gedanken erraten zu haben. »Wir behandeln all unsere Gäste wie Kaiser. Selbst unsere Feinde. Und natürlich auch unsere Gefangenen. Man bestraft einen Menschen nicht dadurch, dass man ihm seine Würde raubt. Er duftet dann nur schlecht, wenn er seine Strafe entgegennimmt.«
    Sie drehte sich um und machte Betty ein Zeichen, dass sie ihr folgen solle. Dann eilte sie einen langen, engen Flur entlang und verschwand um eine Ecke. Betty warf einen kurzen Blick auf die schlafende Sikki und lief dann hinterher. Betty wurde in einen Raum geführt, der nicht viel größer war als die Kammer, in der ihre Liege stand. Er war nur etwas besser ausgestattet. An der Schmalseite des Raumes direkt vor einem Fenster stand ein breiter dunkler Schreibtisch.
    Die Dame Sahing erhob sich, als sie eintrat, und ging ihr entgegen, wie, um sie eingehender zu mustern. Auch Betty starrte sie an. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals eine so würdevolle Dame gesehen zu haben. Ihr Alter war schwer zu schätzen, aber die 50 schien sie noch nicht erreicht zu haben. Ihr Haar war schwarz wie Ebenholz und an den Seiten kunstvoll hochgesteckt, die schimmernden dunklen Augen blickten aus einem ebenmäßigen weichen Gesicht. Die Dame Sahing war von Kopf bis Fuß in schwere seidene Gewänder gewandet, die in verschiedenen hellen und dunklen Brauntönen schimmerten. Ihr Parfüm war das der Teerose, leicht und kostbar zugleich. Sie blickte Betty gerade in die Augen.

    »Guten Abend.« Ihre Stimme war weich und dunkel und ihr Englisch klar und ohne jeglichen Akzent.
    Betty wollte eben den Mund aufmachen, um einen Schwall von Fragen loszuwerden, als die Dame Sahing ihr mit einer Handbewegung bedeutete zu schweigen. »Was hat es mit dem Tee auf sich, den Sie auf dem Markt in Kanton für sich reklamiert haben?«
    »Ich weiß nicht, wieso Sie das wissen wollen.« Betty zog die Stirn in Falten. »Ich verlange, mit einem Mister Bajung zu sprechen. Mir ist eine große Menge besten Darjeelingtees gestohlen worden, und ich bin durchaus bereit, darauf einen Schutzzoll zu entrichten, wenn es sein muss. Aber dafür muss ich den Tee zunächst wiederfinden. Wie es aussieht, und nach

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