Die Teerose
Oder zu Weihnachten mit glasierten Trauben und Granatäpfeln. Er wird umwerfend aussehen, Fee. Und außerdem ist er nicht aus Amerika, sondern aus England, achtzehntes Jahrhundert, und doppelt soviel wert, wie wir bezahlt haben.«
Fiona seufzte, stellte den Weinkühler beiseite und fuhr mit dem Auspacken fort. Die Einkäufe, die sie in einem Antiquitätenladen auf der East Side getätigt hatten, waren heute eingetroffen. Sie nahm ein silbernes Vorlegebesteck aus der Kiste, das Nick unbedingt hatte kaufen wollen. Es stammte aus dem Nachlaß eines Herrenhausbesitzers auf der Madison Avenue. Während Nick in dem Laden Porzellan und Leinen aufgestapelt hatte, hatte sie das Silberzeug durchgesehen. Sie hatte drei unvollständige Garnituren aus massivem Sterlingsilber und eine ganze versilberte Garnitur gefunden, weshalb sie sich für letztere entschied. Die war zwar nicht so schön wie die aus Sterlingsilber, aber wenigstens paßte alles zusammen. »Sei doch nicht so spießig«, hatte Nick sie getadelt. »Zusammenpassendes Silber ist was für Oberkellner und Neureiche. Nimm das Sterling.«
Im Lauf der vergangenen Wochen, während das Haus renoviert wurde, hatten Fiona und Nick Antiquitätengeschäfte und Läden durchstöbert, die Ware aus zweiter Hand anboten, um sich nach einer brauchbaren Einrichtung umzusehen. Sie hatten wunderschöne Möbel gefunden – für Nick zwei Ebenholztische, passende Stühle und mit Damast bezogene Sofas, auf denen sich die Galeriebesucher ausruhen konnten. Und für sie eine vergoldete Anrichte im Louis-quinze-Stil für Kuchen und Backwaren, Stühle mit Petit-point-Stickerei, Queen-Ann-Teetische, schmiedeeiserne Möbel für den Garten, Porzellan aus Limoges, Tischwäsche und vier fast neue seidene Vorhangschals in einem herrlichen Grünton – alles zu einem Bruchteil des Preises, den sie für neue Ware hätte bezahlen müssen.
Die Arbeiten im Haus gingen zügig voran, wenn auch nicht ohne die üblichen unvorhersehbaren Katastrophen wie verrostete Abflußrohre, ein undichtes Dach und von Termiten zerfressene Balken. Schnell war ihr Bankkredit verbraucht, und sie machte sich Sorgen. Die Beaufsichtigung der Arbeiter – damit tatsächlich ihre Wünsche ausgeführt wurden – zerrte an ihren Nerven. Und das Hin und Her zwischen Eighth Avenue und Irving Place erschöpfte sie. Aber dennoch war sie unbeschreiblich glücklich. Jeden Abend fiel sie ins Bett und wachte jeden Morgen aufgeregt auf, wenn sie an ihre Teestube dachte und wie schön sie werden würde. Und wenn sie durch die Räume wanderte, um zu sehen, was inzwischen geschehen war, hüpfte ihr Herz vor Stolz und Freude. Das Tea Rose war ihr Werk. Sie hatte die Idee gehabt, sie ausgeführt, und bald würde sie sehen, wie sie Früchte trug. Im Gegensatz zu dem Laden gehörte es ihr, ihr ganz allein.
»Was hältst du von dieser Farbe, Fee?« rief Nick von der Leiter herunter. Ein paar Stunden zuvor waren sie zu dem Maler gegangen, und Nick ließ sich für ihre und seine Räume Farben mischen. Ein sanftes Weiß für seine Galerie und ein frisches Frühlingsgrün für die Zierleisten.
Sie sah auf die Farben an der Wand und wählte die hellste. »Die gefällt mir auch am besten«, sagte er. Sie sah ihn an und entdeckte dunkle Ringe um seine Augen. Es war schon fast neun. Sie hatten über zwölf Sunden gearbeitet.
»Komm runter. Du gehst jetzt ins Bett.«
»Aber ich bin noch nicht fertig«, protestierte er.
»Du bist müde, das seh ich dir an. Ich will nicht, daß du dich überanstrengst, Nick. Ich mein’s ernst. Du weißt, was letztes Mal passiert ist.«
»Aber ich fühl mich gut …«
»Nicholas Soames, du kannst keine Galerie aufmachen, wenn du tot bist«, sagte sie streng.
»Und was ist mit dir? Du brauchst auch Ruhe«, sagte er.
»Ich mach nicht mehr lang, nur noch ein bißchen Auspacken, dann geh ich auch heim.«
Nick küßte sie zum Abschied und ging dann in seine Wohnung hinauf. Fiona streckte ihre müden, steif gewordenen Glieder. Als sie mit dem Auspacken weitermachen wollte, sah sie, daß sich im Garten etwas bewegte. Es waren die Rosen. Durch die neuen Fenster, die sie hatte einsetzen lassen, konnte sie sehen, wie sie sich in der Abendbrise wiegten. Magisch von ihnen angezogen, ging sie hinaus. Während sie durch den Garten ging, stellte sie sich vor, daß sie zum Gruß die Köpfe neigten.
Der Nachthimmel war mit Sternen bedeckt, die Luft kühl, und das Gras fühlte sich weich an unter ihren bloßen Füßen. Angezogen
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