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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Händen, um nicht zu zittern. »Wie … wie geht’s, Mr. Burton, Sir?«
    »Hören Sie auf das, was Mr. Curran Ihnen sagt, Mr. O’Neill?«
    Davey ließ ängstlich den Blick zwischen Burton und Curran hin- und herschweifen. »Ich verstehe nicht, Sir …«
    Burton ging mit auf dem Rücken gefalteten Händen von den beiden Männern weg in Richtung des Kairands. »Oder tun Sie, was Ben Tillet Ihnen sagt?«
    Davey spürte einen Stich in der Magengegend. »Mr. B-Burton, Sir«, stammelte er mit fast unhörbarer Stimme. »Bitte, werfen Sie mich nicht raus. Ich bin bloß bei einer Versammlung gewesen. Ich-ich geh zu keiner andern. Nie mehr. Bitte, Sir, ich brauch den Job.«
    Burton drehte sich zu ihm um. Aus seinem Gesicht konnte Davey nichts ablesen. Es war absolut ausdruckslos. »Was sagt Ihnen Tillet denn, Mr. O’Neill? Zu streiken? Und was will diese Gewerkschaft? « Er spuckte das Wort förmlich aus. »Mich fertigmachen? Soll mein Tee auf den Schiffen verrotten?«
    »Nein, Sir …«
    Burton begann, ihn langsam zu umkreisen. »Das denke ich aber schon. Ich glaube, Tillet möchte mich vernichten. Mein Geschäft ruinieren. Hab ich recht?«
    »Nein, Sir«, antwortete Davey.
    »Also, was will die Gewerkschaft dann?«
    Davey, der inzwischen schwitzte, sah Burton an, dann das Dock und murmelte schließlich eine Antwort.
    »Ich hab Sie nicht gehört«, sagte Burton und beugte sich so nahe an Davey heran, daß der seinen Zorn buchstäblich riechen konnte.
    »M-mehr Geld, Sir, kürzere Arbeitszeiten.«
    In den Jahren, die folgen sollten – den bitteren, elenden, niederschmetternden Jahren –, versuchte Davey, sich zu erinnern, wie der Mann die Tat begangen hatte. Wie er sein Messer so schnell aus der Tasche gezogen und es so geschickt eingesetzt hatte. Doch im Moment spürte er nur eine sengende Hitze an seiner Schläfe und eine Nässe auf seinem Hals.
    Und dann sah er es … sein Ohr …, das auf dem Kai lag.
    Schmerz und Schock ließen ihn auf die Knie fallen. Er legte die Hand an die Wunde, Blut rann durch seine Finger über seine Gelenke, und seine Hand bestätigte ihm, was sein Verstand sich zu glauben weigerte – daß da, wo sein linkes Ohr gewesen war, nichts mehr war, rein gar nichts.
    Burton hob das bleiche Stück Fleisch auf und warf es über den Kai. Mit einem kleinen, zarten Plumpsen fiel es ins Wasser. Überzeugt, daß er Frau und Kinder nie wiedersehen würde, begann Davey zu schluchzen. Er hielt inne, als er die dünne kalte Spitze des Messers an seinem anderen Ohr spürte. Mit blankem Entsetzen sah er zu Burton auf.
    »Nein …«, krächzte er. »Bitte …«
    »Muß ich mir von einem Gewerkschaftsschnösel sagen lassen, wie ich mein Geschäft führen soll?«
    Er versuchte, den Kopf zu schütteln, aber das Messer hinderte ihn.
    »Muß ich mir von Erpressern und Dieben Befehle geben lassen?«
    »N-nein … bitte schneiden Sie nicht …«
    »Ich will dir mal was sagen, junger Freund. Ich hab hart gearbeitet, um Burton Tea zu dem zu machen, was es ist, und ich werde alles und jeden aus dem Weg räumen, der mir in die Quere kommt. Verstanden?«
    »Ja.«
    »Wer war sonst noch bei der Versammlung? Ich will jeden einzelnen Namen.«
    Davey schluckte schwer. Er sagte nichts.
    Curran mischte sich ein. »Sag’s ihm, Mann!« drängte er. »Sei kein Narr. Was gehen sie dich an, Davey? Sie sind nicht hier, um dir zu helfen.«
    Davey schloß die Augen. Nein, nur das nicht. Nicht das. Er wollte reden, er wollte sein Leben retten, aber er konnte seine Kumpel nicht verraten. Wenn er es täte, würde Burton mit ihnen das gleiche machen wie mit ihm. Er biß die Zähne zusammen und wartete, daß das Messer nach oben fuhr, auf den Schmerz, aber er kam nicht. Er öffnete die Augen. Burton war von ihm weggegangen. Er hielt das Messer nicht mehr in der Hand. Als er sah, daß Davey ihn anblickte, nickte er Curran zu. Davey zuckte zurück, weil er dachte, er signalisierte dem Mann, ihn fertigzumachen, aber Curran reichte ihm nur einen Umschlag.
    »Mach ihn auf«, sagte Burton.
    Er tat es. Im Innern befand sich eine Zehnpfundnote.
    »Sollte genügen, um Elizabeths Arztrechnungen zu bezahlen, oder?«
    »Woher … woher wissen Sie …?«
    »Es gehört zu meinen Aufgaben, Bescheid zu wissen. Ich weiß, daß du mit einem hübschen Mädchen namens Sarah verheiratet bist. Du hast einen Sohn, Tom, der vier Jahre alt ist. Eine dreijährige Tochter namens Mary. Elizabeth ist gerade erst ein Jahr alt. Eine nette Familie. Ein Mann sollte

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