Die Templerverschwoerung
gehörten ihnen allerdings nur wenige an. Alles, was wir wollten, war, Mengistu, den Präsidenten auf Lebenszeit,zu stürzen und seine Gefolgsleute zu vertreiben. Einige ließen alles stehen und liegen und schlossen sich den Kämpfern an, andere spendeten Geld oder Lebensmittel, wieder andere bildeten kleine Gruppen, um die eigenen Wohnviertel zu schützen. Wir hatten hier in Banin Sefer eine solche Gruppe, der auch ich angehört habe. Das meine ich im Ernst. Ich war damals viel jünger und ziemlich fit. Ich habe aktiv Fußball gespielt. Es gab noch eine kleine Zahl von Juden in dieser Gegend, und ich wurde ausgewählt, sie in der Bewegung zu vertreten. Wir hielten es für wichtig, dass diejenigen, die einmal nach dem Derg an die Macht kamen, wussten, die Juden hatten ihren Beitrag dazu geleistet. Ich konnte eine ganze Reihe jüngerer Männer gewinnen. Wir haben uns Waffen und Sprengstoff beschafft, und einer hat kugelsichere Westen besorgt. Wie ich sagte, war ich damals viel jünger, aber älter als die meisten anderen. Ich bin kein Kämpfertyp, und ich wurde auch nie im Kampf eingesetzt. Andere von uns schon. Das Derg hat einige festgenommen und gefoltert, viele sind im Gefängnis oder bei den Kämpfen umgekommen.«
»Gershom«, unterbrach ihn Mariyam sanft, »das ist alles sehr interessant, aber was hat das mit unserem Problem zu tun?«
Der Ältere runzelte die Stirn, dann aber blickte er sie lächelnd an wie ein Kind, das die einfachsten Dinge nicht versteht.
»Entschuldigung«, sagte er, »ich erinnere mich so gut daran, als sei es gestern gewesen. Dabei ist es über dreißig Jahre her. Aber darum geht es nicht. Die anderen waren sehr jung, manche noch Teenager oder in den Zwanzigern. Im Unterschied zu mir sind sie heute im besten Alter und gut in Form.« Er schwieg eine Weile.
»Ich will auf Folgendes hinaus: Sie haben alle ihre Waffenbehalten. Ich übrigens auch. Ich habe meine in einem Schrank oben im Haus. Wir konnten ja nicht sicher sein, wie es weitergehen würde, nachdem das Derg gestürzt war. Mengistu hat sich noch einige Jahre als Präsident gehalten und ist nie bestraft worden. Er lebt heute in Simbabwe, wo Robert Mugabe ihn beschützt. Nun, Mariyam, Mr. O’Davoren …«
»Nennen Sie mich doch bitte Conor.«
»Sehr gut, Conor, ich biete Ihnen Folgendes an: Ich kann eine Gruppe früherer Kämpfer zusammenrufen, alles bewaffnete und mehr oder weniger erfahrene Leute. Wenn ihr ihnen eure Geschichte erzählt, garantiere ich, dass sie sich euch zur Verfügung stellen. Mariyam weiß, wie wichtig die Bundeslade für uns Äthiopier ist. Ich denke, die meisten der Männer sind auf diese oder jene Art gläubig. Sie sind nicht gerade fromm, die Entführung der Bundeslade dürfte für sie jedoch ein schweres Sakrileg darstellen. Wenn wir ihnen sagen, was geschehen ist, lassen sie alles stehen und liegen und schließen sich uns an. Geht mit ihnen gemeinsam zum Tanasee. Betrachtet sie als eure persönliche Schutztruppe. Bringt die Bundeslade in eure Hand und schafft sie an einen würdigen Ort, ob Axum, Washa Meskel oder das British Museum – das müsst ihr entscheiden.«
Später am Tag versammelte sich eine Gruppe in der kleinen Synagoge am oberen Ende der Benin Street. Sie kamen einzeln – zurückhaltende, unscheinbare Männer in den Fünfzigern, die der unermüdliche Gershom in ihren Wohnungen oder an ihren Arbeitsplätzen zusammengetrommelt hatte. Nur ein Einziger hatte seit jenen revolutionären Tagen Fett angesetzt, die Übrigen waren immer noch schlank und drahtig. Alle strahlten von einem Ohr zum anderen, so freuten sie sich, Gershom zu sehen. Mariyam stellte fest, dass sie sichrelativ häufig – etwa alle zwei Monate – trafen, um gemeinsam Tej zu trinken, zu essen, zu scherzen und der alten Tage zu gedenken. Diejenigen, die körperlich fit waren, absolvierten an so manchem Wochenende immer noch militärische Übungen und fuhren an ihren wenigen Urlaubstagen gemeinsam zur Jagd ins Omo-Tal, wo sie auf Bergantilopen schossen und einmal sogar ein Leopardenfell nach Hause brachten.
Der Mann mit dem Kugelbauch wog etwa 65 Kilo – eine Menge für Äthiopien, wo dicke Menschen selten sind. Er hieß Mihret Lemma und arbeitete als Justitiar für ein Ministerium.
»Was ist los?«, fragte er, kaum dass er eingetreten war. »Steht eine neue Revolution ins Haus? Dafür wäre es längst Zeit, wenn ihr mich fragt. Diese Bande ist kaum besser als das Derg. Zenawi ist seit 1995 Premierminister, länger als
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