Die Templerverschwoerung
und sie festnimmt. Ihre Aufgabe wäre es, meine Führerin und Dolmetscherin zu sein. Außerdem brauche ich jemanden, der das Matshafa gelesen hat und daher Dinge begreift, von denen ich noch nie gehört habe.«
Sie schaute zu Boden. Die Musik, die Mauern der Kapelle, die ein plötzlicher Sonnenstrahl golden färbte, der gepflegte Rasen zu ihrer Rechten – all das weckte Erinnerungen an die Sommer am Fluss, die harmonischen Jahre im College, da sie sich verliebt hatte. Und jetzt war diese Welt zusammengebrochen. Ein Vogel schwebte über Gibbs’ Building, allein am leeren Himmel. Vielleicht suchte er nach ein paar Krumen, die der Schnee noch nicht zugedeckt hatte.
»Chief Inspector, da ist etwas, was ich Ihnen noch nicht gesagt habe. Ich dachte, es sei nicht wichtig. Ich habe noch eine Kopie der Matshafa angefertigt. Sie liegt in meinem Büro in der British Library. Es tut mir leid, ich hätte es längst erwähnen müssen. Aber ich war so durcheinander, und dass jemand nach Äthiopien fliegt, daran habe ich nicht gedacht.«
Sie brach in Tränen aus. Es war, als hätte sie die Unschuld verloren, da sie aus reiner Verwirrung einen so trivialen Fehler begangen hatte.
Er wollte sie trösten, traute sich aber nicht.
»Machen Sie sich keine Gedanken«, sagte er. »Wir sind alle ein bisschen durcheinander. Und es ist doch eine gute Nachricht. Es verschafft uns einen Vorteil gegenüber den Leuten, die wir suchen.«
»Nicht nur das«, sagte sie. »Es kann uns tatsächlich weiterbringen. Vielleicht treffen wir ja auch nicht auf dieselben Personen. Sie könnten Komplizen in Äthiopien haben.«
»Das ist durchaus möglich. Übrigens, auch ich habe Ihnen etwas noch nicht gesagt: Das Blatt Papier, das wir auf demAltar gefunden haben, das in der unbekannten Sprache. Wir haben es mehreren Linguisten an der Universität gezeigt. Raten Sie, um welche Sprache es sich handelt.«
»Ich habe keine Ahnung, und meine Vermutungen habe ich Ihnen schon gesagt.«
»Ein Romanist hat es sofort erkannt – es ist Portugiesisch. Es kann die europäische, die brasilianische oder auch die afrikanische Variante aus Angola oder Moçambique sein. Er hat uns zu einem Portugiesischlehrer geschickt, der es uns dann übersetzt hat.«
»Moçambique und Angola liegen im Süden Afrikas, weit weg von Äthiopien. Und was steht auf dem Blatt?«
»Das ist das eigentlich Interessante. Die Zeile lautet: ›Heilige Maria von der Bundeslade, bete für uns.‹«
»Was soll das bedeuten? Es gibt keine Maria von der Bundeslade. Jedenfalls nicht in Äthiopien. Auch keine Kirche dieses Namens.«
»Vielleicht gibt es sie ja in Portugal. Oder in Brasilien. Das lasse ich prüfen. Da steht unser Wagen. Wir wollen zurückfahren. Bald gibt es Mittagessen.«
»Chief Inspector, essen Sie mit mir? Es macht keinen Spaß, immer allein am Tisch zu sitzen. Von dem Wachpersonal will mir niemand Gesellschaft leisten. Wahrscheinlich ist das, wie wenn Sie im Dienst einen trinken.«
»Überhaupt nicht. Ich esse gern mit Ihnen zu Mittag und auch zu Abend, wenn Sie nichts dagegen haben. Allerdings unter einer Bedingung.«
»Und die ist?«
»Dass Sie Conor zu mir sagen. Sie gehören nicht der Polizei an, also können Sie mich nennen, wie Sie wollen, aber ich würde Conor vorziehen.«
Sie musste lächeln. Bisher war sie noch nie mit der Polizeiin Berührung gekommen und hatte keine Ahnung, wie formal es dort zuging.
»Dann nennen Sie mich Dr. Filimon. Oder Mariyam, wenn Ihnen das lieber ist.« Sie lächelte, und wieder spürte er ihren hintergründigen Humor. Er musste auf der Hut sein.
»Noch etwas«, sagte sie. »Können Sie mir einen Computer beschaffen? Ein Laptop wäre schön.«
»Kein Problem. Meiner liegt im Wagen. Sie können ihn so lange benutzen, bis ich einen für Sie besorgt habe. Ach, und ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, dass ich nicht direkt von London nach Äthiopien fliegen möchte, sondern von Paris. Dort schauen wir bei Ihrem Freund vorbei, dem Sie eine Kopie der Handschrift geschickt haben.«
Sie blickte ihn besorgt an.
»Ich habe den ganzen Tag versucht, ihn zu erreichen. Er geht nicht ans Telefon. Ich denke schon, wir sollten die französische Polizei informieren.«
Conor schüttelte den Kopf.
»Nur, wenn es nicht zu umgehen ist«, sagte er. »Ermittlungen der Polizei von zwei Staaten in einem Mordfall können glatt zu einem Weltkrieg führen. Glauben Sie mir, da wollen Sie ganz bestimmt nicht hineingeraten. Erst einmal machen wir uns selbst ein
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