Die Templerverschwoerung
wo dieser Ort zu finden ist.«
Jetzt richtete sich der Patriarch hoch auf. Er war nur von mittlerer Größe, trug aber dicke Absätze und hielt sich kerzengerade.
»Die Bundeslade befindet sich in Axum«, sagte er. »An dem heiligen Ort, wo der Hohepriester und der Wächter über siewachen. Diesen Ort darf nicht einmal ich betreten; der Wächter würde mich töten. Er tötet auch Sie und jeden anderen, der das versucht. Die Bundeslade ist nicht in Gefahr.«
»Ich denke, diese Leute glauben nicht, dass die echte Bundeslade sich dort befindet.«
»Dann sind es Dummköpfe. Sie interessieren mich nicht. Und jetzt ist es an der Zeit, dass ich mich wieder meinen Pflichten widme. Belästige mich nicht noch einmal mit solchen Nichtigkeiten, sonst lasse ich dich und deinen Begleiter davonjagen.«
Wie auf ein Stichwort traten jetzt mehrere hochrangige Priester zwischen Mariyam und den Patriarchen. Zwei riesige Männer mit Sonnenbrillen stießen sie und Conor beiseite. Als sie sich wieder frei bewegen konnten, waren der Patriarch und seine Begleitung hinter dem Tor verschwunden. Die Prozession löste sich auf. Minuten später standen sie nur noch mit ein paar alten Frauen, einigen Kindern und einer Ziege auf der Straße.
23. KAPITEL
Mariyam kannte zahlreiche Orte, wo man in Addis Abeba gut essen konnte. Bisher hatten sie die Mahlzeiten in ihrem Hotel, dem staatlichen Ghion an der Menelik Avenue eingenommen, aber Conor meinte, es sei an der Zeit, das Nachtleben der Stadt zu erkunden.
»Ich möchte Sie zum Essen einladen«, sagte er.
»Und Sie wissen nicht, wohin.«
Er grinste.
»Aber ich weiß, wie man eine Frau gut unterhält.«
»Daran habe ich keinen Zweifel, doch eine Frau muss auch etwas essen.«
Ihm gefiel, dass sie endlich etwas lockerer miteinander umgingen. Wenn sie allein waren, versuchten sie nicht an Mord und Totschlag zu denken.
»Dann machen Sie einen Vorschlag.«
Sie hatte einen Teil ihrer Kindheit in Addis Abeba verbracht und später am Institut für Äthiopische Studien der Universität gearbeitet.
»Ich schlage ein äthiopisches Restaurant vor. Ein echtes. Wo es Kitfo gibt. Ich habe seit langem kein gutes Kitfo mehr gegessen.« Sie lächelte verschmitzt wie ein kleines Mädchen. Dieses Lächeln bewegte etwas ganz tief in seinem Inneren; es war, als ließe man ein langes Seil auf den Grund eines Brunnens hinab, der so trocken war, dass ihm Wasser nur noch als ein ferner Traum erschien.
Vor dem Hotel riefen sie ein Taxi. Mariyam erklärte demFahrer, sie wollten in den Südteil der Stadt zur Haile Gebreselassie Street und dann hinunter bis zur Mike Leyland Street fahren. Dort stiegen sie aus, und Mariyam schaute sich um. Sie war längere Zeit nicht mehr in Addis gewesen, und der Weg zu ihrem bevorzugten Kitfo -Haus führte durch eine ungepflasterte Gasse zwischen der Mike Leyland Street und der Djibouti Street ein paar Häuserblöcke nach Osten. Nach einigem Suchen hatte sie die kleine Straße gefunden.
»Das sieht ja nicht sehr vertrauenswürdig aus«, meinte Conor. »Meine Mutter hätte ich nicht allein hierher gehen lassen.«
»Allein ginge ich auch nicht hierher«, gab sie zurück. »Aber ich habe ja einen großen, starken Polizisten bei mir. Übrigens, bevor wir hineingehen, müssen Sie wissen, dass jeder denken wird, ich sei eine Prostituierte, die Sie in einem Hotel aufgegabelt haben. Das zu Ihrer Kenntnis. Und versuchen Sie nicht, es abzustreiten. Man wird Sie nur auslachen.«
Das einzige Zeichen, dass es hier tatsächlich ein Kitfo -Haus gab, waren ein paar Lämpchen, die man in einen Baum gegenüber gehängt hatte. Das Lokal hieß Yohannis Gurage Kitfo Bet. Mariyam steuerte auf einen Tisch im hinteren Teil des Hofes zu. Viele Augen folgten ihr, andere musterten Conor.
»Was ist eigentlich Kitfo ?«
»Rohes Fleisch.«
»Waas?« Er blickte auf die Teller der anderen Gäste.
»Haben Sie noch nie ein blutiges Steak oder ein Tatar gegessen? Kitfo ist ähnlich wie Tatar – Gehacktes mit verschiedenen Gewürzen. Es schmeckt köstlich, Sie mögen es bestimmt.«
Er schaute sich verstohlen um. Momentan wand sich keiner der Gäste in Krämpfen. Außer Mariyam waren nur noch zwei Frauen da. Waren sie Prostituierte?
Sie folgte seinen Blicken.
»Das ist hier nichts Besonderes«, erklärte sie ihm. »Auch respektable Frauen verdienen sich auf diese Weise etwas dazu. Andere leben ganz davon. Das gilt nicht als ehrenrührig. Wir sind nicht so prüde wie ihr Europäer. Doch um Ihrer Frage
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