Die Templerverschwoerung
zuvorzukommen: Ich habe mein Brot niemals so verdient.«
»Und wenn Sie es hätten tun müssen?«
»Das habe ich doch schon gesagt. Auch respektable Frauen geraten manchmal in eine Notlage. Dann müssen sie Geld verdienen, so schnell es geht. Niemand findet das schlimm.«
Er versuchte sich das klarzumachen. Und fragte sich, wohin er hier geraten war.
Ein Kellner erschien, und Mariyam bestellte für sie beide.
»Ich hätte gern Kitfo terea, und für meinen Freund hier bringen Sie bitte das Gleiche, aber yebesela . Dazu bitte zwei Bier.«
»Ich habe kein Wort verstanden«, beschwerte sich Conor. »Haben Sie wirklich rohes Fleisch bestellt?«
Sie lächelte in sich hinein. Ihm fiel auf, dass sie das öfter tat.
»Ich habe rohes Kitfo für mich bestellt. Und aus Mitleid mit Ihnen habe ich darum gebeten, dass es für Sie gegart serviert wird.«
»Mit einem Oxo-Brühwürfel drin? So habe ich es gern.«
»Natürlich, die laufen jetzt los und besorgen einen ganz allein für Sie. Damit Sie nicht sagen, wir behandeln unsere Gäste schlecht.«
Er musste lächeln, weil er sich mit ihr wohl fühlte. Er staunte selber, wie schnell das gegangen war.
Kleine Nachtvögel flatterten herum und sangen aus voller Brust in den Zweigen des Affenbrotbaumes, der den Hof überschattete. Um sie herum schwatzten die Gäste laut miteinander, aber Conor wusste nicht, worüber. Das Gericht kammit mehreren Beilagen, das gegarte Fleisch schmeckte köstlich, und Mariyam meinte, ihres sei genauso, wie sie es in Erinnerung hatte. Conor probierte auch den gehackten Spinat und den Hüttenkäse, fand beides merkwürdig, aber essbar. Er wollte ihr zeigen, dass sie eine gute Wahl getroffen hatte.
»Gehen Sie öfter zum Essen aus?«, fragte sie.
Er nickte.
»Ich bin ein miserabler Koch«, meinte er dann. »Ich kann höchstens Spaghetti kochen. Aber eigentlich auch die nicht, denn ich kriege keine Soße zustande.«
»Ich bin erschüttert. Hat Ihre Mutter Ihnen das nicht beigebracht?«
»Meine Mutter ist gestorben, als ich drei Jahre alt war. Meine Frau hat für mich gekocht. Sie ist eine hervorragende Köchin.«
»Und warum essen Sie dann nicht zu Hause?«
»Weil wir seit einigen Jahren geschieden sind. Keine schöne Sache.«
Sie beugte sich zu ihm hinüber, nahm ein bisschen von seinem Fleisch und steckte es ihm in den Mund.
»Wir nennen das Gorsha . Wenn man mit jemandem gemeinsam isst, muss man ihn auch füttern.« Wieder lächelte sie. Dann wurde ihre Miene ernst. »Haben Sie Kinder?«
Er schüttelte den Kopf.
»Wir wollten eine Familie werden, haben es aber immer wieder aufgeschoben. Und wie ist es bei Ihnen?«
Die Nacht war von amharischem Stimmengewirr erfüllt. Mariyam und Conor aber, in ihrer Ecke für die anderen kaum sichtbar, fühlten sich, als existiere die Stadt nicht. Die Abendluft wurde merklich kühler, aber ihnen war warm.
»Ich bin auch verheiratet gewesen«, antwortete sie auf seine Frage, »aber ich möchte nicht darüber sprechen.«
»Sind Sie auch geschieden?«
Sie zögerte, dann schüttelte sie langsam den Kopf.
»Ich hatte mehrere Freunde«, sagte sie dann, »und ich habe immer geglaubt, aus einer dieser Beziehungen werde sich eine Heirat entwickeln, aber es wurde nichts daraus. Ich werde wohl als eine dieser typischen Akademikerinnen enden, mit Brille und verkniffenem Gesicht.«
»Das kann ich mir bei Ihnen nicht vorstellen.« Er beschloss, ihr nicht die Frage zu stellen, ob sie im Moment gebunden sei. Zu seiner Überraschung stellte er fest, wie viel für ihn davon abhing.
Sie waren fast fertig, da wollte Mariyam Conor noch einmal etwas in den Mund stecken. Er wehrte ab und erklärte, er bringe keinen Bissen mehr hinunter, aber sie schüttelte den Kopf.
»Nur einmal Gorsha bedeutet Unglück. Und abzulehnen gehört sich einfach nicht.«
Diesmal hielt er ihre Finger mit seinen Lippen fest.
»Das war sehr ungezogen«, sagte sie. »Die Finger dürfen dabei niemals Ihren Mund berühren.«
»Und wenn sie sehr verlockend sind?«
Sie blickte ihn einen Augenblick voll an, dann wandte sie sich ab. Er fragte sich, ob sie dabei errötete.
24. KAPITEL
Sie gingen durch die dunkler werdende Nacht zurück. Die Luft war kühl, und eine leichte Brise wehte einen Hauch von Eukalyptus aus dem Yeka-Park im Nordosten herüber. Als Conor zum Himmel aufschaute, erblickte er Sterne, heller und zahlreicher, als er sie zu Hause je gesehen hatte. Hier konnte ein Mann an die Unendlichkeit und Allgegenwart des Lebens glauben,
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