Die Templerverschwoerung
willen.«
Und der Hilfsdiakon:
»Erbarme dich, Herr, der Patriarchen, Erzbischöfe, Bischöfe, Priester, Diakone und aller Christenmenschen.«
Ein Mann neben Conor übersetzte ihm die Worte flüsternd ins Englische. So fremd Ort und Sprache ihm auch sein mochten, kam ihm das Gebet plötzlich sehr vertraut vor. Es war, als befände er sich zu Hause in Dublin, wo Pater O’Cloghessy oder Pater O’Baoighealláin die Messe zelebrierten, während die Gläubigen, meist viel älter als er, den Rosenkranz zwischen den Fingern, leise Gebete murmelten. Die Erinnerung ließ ihn erschauern. Das Leben hatte ihn weit von diesen Bildern der Kinderzeit fortgeführt. Die Scheidung vor vier Jahren hatte noch den letzten Rest des katholischen Ministranten in ihm ausgelöscht. Aoife lebte jetzt wieder in Waterford und ging viermal in der Woche zur Messe. Diese Äthiopier schienen den Gottesdienst zu genießen. Sie hatten Musik, zu der sie tanzen konnten. Er fragte sich, ob Mariyam wohl auch außerhalb der Kirche gern tanzte, ob er sie an diesem Abend irgendwohin ausführen konnte, um Mord und Raub für ein paar Stunden zu vergessen.
Die Priester in ihren farbenprächtigen Gewändern schwebten um den Altar wie Schmetterlinge um eine brennende Kerze. Einige hielten große Prozessionskreuze empor, manche von auserlesener Filigranarbeit, andere rund oder mit Edelsteinen besetzt, die das Licht einfingen und es durch die Wolken von Weihrauch wie Funken sprühen ließen. Unter den vielen Menschen suchte Conor den Patriarchen auszumachen. Abuna Amanuel war der Patriarch von Äthiopien und, für Conor noch wichtiger, der Itchegue des Erzbistums von St. Tekle Haimanot. In dieser Eigenschaft unterstanden ihm alle Klöster des Landes. Sein Amtssitz lag nur ein paarSchritte von der Kathedrale entfernt. Drei Tage lang waren Conor und Mariyam immer wieder dorthin gegangen und hatten um ein Gespräch nachgesucht. Stets waren sie von einem Beamten abgewiesen worden, der kein Wort an Mariyam richtete und nur mit Conor sprach, obwohl der nichts verstand.
Ein Freund Mariyams hatte ihnen geraten, zu diesem Gottesdienst zu gehen und den Patriarchen abzupassen, wenn er die Kathedrale verließ. Während die Messe weiterging, die Stimmen sich hoben und senkten und auch die Trommeln wieder erklangen, wurde Conor allmählich klar, dass er hier in etwas geraten war, das ohne Ende dahinströmte. Vor diesem Gottesdienst hatte es seit den Anfängen der Christenheit Tausende andere gegeben und Tausende würden folgen – weit in eine unergründliche Zukunft hinein. In Äthiopien hatte man die Knochen der ältesten Menschen gefunden. Afrikaner würden trommeln und singen, auch wenn dieser Mordfall längst aufgeklärt war. Falls das je gelingen sollte.
6 Anspielung auf ein Gedicht des irischen Nationaldichters James Clarence Mangan.
22. KAPITEL
Bei hellem Sonnenschein wand sich die vielfarbige Schlange der Prozession des Patriarchen die Entoto Avenue zu Abunas offizieller Residenz hinauf. Es mussten über hundert Priester sein, manche in Weiß, andere aufgeputzt wie Pfauen, mit Gewändern angetan, die die Sonne in allen Farben erstrahlen ließ. Diakone hielten große Sonnenschirme über ihre Köpfe, mit oder ohne Fransen, rot, grün und violett wie wandelnde Regenbogen. Eine Frau hatte sich die Kleider vom Leib gerissen und kauerte sich am Straßenrand nieder, als der Zug vorüberkam. Der Patriarch taufte sie, indem er aus einem Krug ein wenig Wasser durch die Löcher in einem Handkreuz über sie goss. Ein paar Schritte weiter hielt eine Mutter ihm ein nacktes Baby entgegen. Auch den kleinen Jungen besprengte der Patriarch mit Wasser und taufte ihn auf den Namen Tewodros.
»Das bedeutet Theodorus«, flüsterte Mariyam, während sie die Prozession begleiteten. »Oder Theodor, wenn Ihnen das lieber ist.« Alle paar Meter trat jemand an den Patriarchen heran und erbat seinen Segen. Conor fürchtete schon, der Patriarch könnte von dem langen Gottesdienst und dem Gang zurück zu seiner Residenz ermüdet sein. Zwischen all den Priestern und Laien, die ihn umringten, war er nur schwer auszumachen.
Schließlich erreichte die Prozession das Tor des Amtssitzes, ein schmiedeeisernes Gitter mit Kreuzen verschiedenster Größe darauf. Die Menge blieb zurück, und Mariyam nutzte ihre Chance.
»Eure Heiligkeit«, rief sie laut, »ich muss Sie in einer schwerwiegenden, dringenden Angelegenheit sprechen.«
Kaum hatte sie diese Worte gesagt, stellte sich auch schon ein
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