Die Templerverschwoerung
lief sie mutig auf die Spinnen zu, scheuchte sie mit dem Lichtkegel der Taschenlampe beiseite und gelangte so in den hinteren Teil der Kirche.
»Ist da jemand?«, rief sie. »Asmerom, sind Sie hier?«
Erneutes Stöhnen war die Antwort, dazu ein unterdrückter Laut, als wolle jemand etwas rufen.
Der Altar war leer. Die Staubschicht darauf verriet, dass er seit Jahren nicht mehr benutzt wurde. Sollten sich reisende Mönche hier aufgehalten haben, dann hatten sie wohl an einem anderen Ort gebetet.
Sie fand ihn am Boden des Allerheiligsten, in ein Tuch gehüllt. Spinnen liefen auf ihm herum. Sollten sie ihn gebissen haben, litt er sicher unter großen Schmerzen. Zu viele Bisse konnten auch töten.
Sie griff sich eine Stange, an der ein kleines Kreuz befestigt war, und scheuchte damit die Spinnen fort. Die flitzten auseinanderund verschwanden in den Rissen im Fußboden und den Mauern. Ein Schauer durchfuhr sie. Dicke Spinnweben hatten die Stange an der Wand festgehalten. Das Allerheiligste war ganz von Spinnennetzen überzogen.
Sie beugte sich nieder und drehte den Mann auf den Rücken. Er atmete schwach. Als sie den kleinen Lichtstrahl der Taschenlampe über ihn gleiten ließ, sah sie, dass er fest in das Tuch eingehüllt war. Es war ganz und gar von Blut durchtränkt. Der Mann stieß einen schwachen Schrei aus, als sie ihn berührte, sie aber versuchte ihn zu beruhigen, indem sie ihm sacht über den Kopf strich.
»Wie ist Ihr Name?«, fragte sie. »Sind Sie Asmerom? Asmerom Makonnen?«
Er antwortete nicht, aber sie glaubte ihn leicht nicken zu sehen.
»Kommen Sie von Washa Meskel?«
Wieder dieses kaum sichtbare Nicken.
Unter großen Schwierigkeiten löste sie das Tuch. Es gab Stück um Stück nach. Einmal schrie er laut auf, als sie es vom getrockneten Blut in der Bauchgegend entfernte. Aber es gelang ihr, und das Licht der Taschenlampe zeigte ihr eine riesige klaffende Wunde. Sie blutete immer noch.
»Ich bringe Sie in ein Krankenhaus«, sagte sie. Doch sie wusste nicht, wie.
Das Zewditu Memorial lag am nächsten, Asmerom konnte jedoch auf keinen Fall gehen oder dorthin getragen werden. Öffentliche Krankenwagen gab es nicht.
Sie griff nach ihrem Handy und rief Conor an. Erst nach mehrmaligem Klingeln nahm er ab.
»Conor, ich habe jetzt keine Zeit für Erklärungen. Sie müssen ganz schnell ein Taxi nehmen oder noch besser einen Minibus und so rasch wie möglich zu mir kommen.«
Sie beschrieb ihm, wo sie sich befand, und hoffte, er werde es finden. Sie nahm das Tuch, das sie trug, faltete es mehrmals zusammen und legte es auf die Wunde. Sie hatte aber nichts, womit sie es befestigen konnte. So hielt sie es einfach mit der Hand fest und wünschte, Conor möge bald bei ihr sein.
»Wer … wer … sind … Sie?«, stieß der Verletzte hervor. Instinktiv wollte sie ihm sagen, er möge seine Kräfte schonen, doch dann fiel ihr ein, dass er so vielleicht bei Bewusstsein blieb. Einschlafen war jetzt gefährlich für ihn, das wusste sie.
»Mein Name ist Mariyam Filimon. Sie haben mir nach London an die British Library geschrieben und mir das Matshafa geschickt.«
»Ja … London … Cambridge … Man hat mir gesagt …«
»Ich weiß. Jemand hat Kaleb und seine Studenten umgebracht.«
»Und was … ist … mit dem Matshafa ?«
Sie seufzte. Wie traurig diese Geschichte doch geworden war. Am liebsten hätte sie ihm das Schicksal seines Buches verschwiegen, aber sie hatte keine Wahl. Sie musste erfahren, was er wusste.
»Es ist gestohlen worden. Nachdem es in London eingetroffen war.«
»Die werden alles … tun, … um die Lade zu finden.« Er holte tief Luft. Das Sprechen bereitete ihm offenbar große Schmerzen.
»Asmerom, bleiben Sie ruhig. Das können Sie mir alles später erzählen.«
Er schüttelte den Kopf. Sie leuchtete ihm ins Gesicht. Es war überraschend schön, aber abgemagert und vor Schmerz verzerrt.
»Ich muss … es Ihnen … jetzt sagen. Ich habe … nichtmehr … viel Zeit. Das Messer ist tief … eingedrungen. Wenn ich sterbe … und Sie wissen nicht … Das Buch … allein … bedeutet nichts. Um … die Bundeslade … zu finden, … müssen Sie … nach Washa Meskel gehen. In Richtung …«
Seine Stimme wurde immer schwächer. Mariyam beugte sich über ihn und hielt ihr Ohr dicht an seinen Mund.
»Dort ist … die echte Bundeslade«, murmelte er. »Nicht … die … in Axum. Jene … aus Jerusalem … ist die echte. Sie müssen … nach Washa Meskel …«
Dann begann er ihr den
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