Die Templerverschwoerung
führte ihn hinein und hieß ihn in einem Vorzimmer Platz nehmen. Kaffee und Gebäck wurden gebracht, wie es sich für einen morgendlichen Besuch gehörte. Von irgendwoher kam Gesang, mehrere Stimmen verwoben sich in äthiopischer Harmonie. Der Besucher mochte die Musik überhaupt nicht, die sie in den äthiopischen Kirchen spielten und sangen. Aber er schlürfte seinen Kaffee und lächelte dem Sekretär zu. Der lächelte zurück. Es war ein Fastentag wie so viele, und er selbst durfte nichts zu sich nehmen.
Der Gesang verstummte. Das geschmackvoll eingerichtete Haus mit den dunklen geschnitzten Stühlen vor schneeweißen Wänden und Fresken von Heiligen auf Schritt und Tritt schien tief durchzuatmen. Die Stille erinnerte den Besucher an eine Zeit, da er viel jünger und noch nicht Mitglied des Ordens gewesen war. Er war mit einer jungen Frau im Wagenaus der Stadt in die freie Natur gefahren. Dann war der Augenblick gekommen, da sie beide wussten, was geschehen würde, aber noch nicht den Mut dazu gefasst hatten. Sie saßen schweigend beieinander, eine große Stille im Herzen, bis er sich schließlich zu ihr neigte und ihre Lippen mit den seinen berührte. Beide atmeten erleichtert aus, ein leiser Seufzer entrang sich ihnen und weckte ihre Leidenschaft.
Da ging die Tür zum Büro des Patriarchen auf. Der Patriarch selbst stand auf der Schwelle und lächelte seinem Besucher zu.
»Mr. Oliver«, sagte er. »Tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten.«
»Kein Problem. Ich habe Ihrer wunderbaren Musik gelauscht.«
Der Patriarch war ganz in weiße Seide gekleidet und trug einen gewölbten Hut auf dem Kopf. Der Bart reichte ihm fast bis auf die Brust.
Greg Oliver folgte ihm in den Raum. Hinter ihnen schloss sich die Tür. Ihr Gespräch fand unter absoluter Geheimhaltung statt. Ob der Patriarch ein guter, aber irregeleiteter Mensch war oder ein Mann des Kompromisses, der gerade seine Seele für etwas verkaufte, das wenig mit den Interessen seiner Kirche, sondern eher mit seiner Eigenliebe zu tun hatte, würde nie bekannt werden. Und es sollte auch ein Geheimnis bleiben, ob er wusste, dass Greg Oliver in diesem Augenblick der gefährlichste Mann in ganz Äthiopien war. Sicher wusste er nicht, dass der Mann, den er soeben in sein Arbeitszimmer eingelassen hatte, nicht nur für Äthiopien, sondern für die gesamte Welt eine Bedrohung darstellte.
Ein beflissener Angestellter an der Rezeption erklärte Conor und Mariyam, es gäbe keine Flüge nach Gonder oder sonstwohin. Äthiopien Airlines habe mitgeteilt, alle Inlandsflüge seien gestrichen. Die kleine Flotte der Bombardier Dashes und Fokkers bleibe aus technischen Gründen am Boden. Die Aktion habe am Vortag begonnen und könne sich über Wochen hinziehen.
»Was ist mit der Eisenbahn?«, fragte Conor. Sie mussten an einen Ort namens Gonder gelangen, das Tor zum Simien-Gebirge.
»Machen Sie keine Witze!«, rief Mariyam. Manchmal wirkte der ansonsten so reizende Conor völlig weltfremd auf sie, so kompetent er andererseits auch sein mochte. Der Hotelangestellte warf Conor einen Blick zu, als sei er nicht ganz bei Trost. »Nach Nordwesten gibt es keine Eisenbahnverbindung. Wir haben eine einzige Linie nach Djibouti, die verläuft genau in entgegengesetzter Richtung. Jeder regt sich darüber auf, aber keiner ändert etwas.«
»Und wie kommen wir nun dorthin?«
»Es fahren Busse. Aber Sie müssen bis morgen warten.«
Conor schaute auf die Uhr. Es war noch früh am Tage, kurz nach acht Uhr.
»Und heute Nachmittag gibt es keinen?«
Der Mann an der Rezeption wirkte, als werde er gleich laut losprusten. Aber er beließ es bei einem breiten Grinsen.
»Conor«, sagte Mariyam, »in Äthiopien fahren alle Busse um sechs Uhr morgens ab. Gleichgültig, wo Sie sich befinden, wohin Sie wollen und wie lange die Fahrt dauert. Die Busse starten um sechs. Das bedeutet, wir haben den heutigen nach Gonder verpasst. Außerdem ist das ohnehin kein angenehmes Reisen, besonders bei einer so langen Strecke. Morgen früh werden alle Busse überfüllt sein. Fast jeder, der einen Inlandsflug gebucht hat, wird auf den Bus umsteigen müssen. Wir sollten einen Wagen mieten, am besten einen mitAllradantrieb, wenn wir so etwas finden. Lassen Sie uns ein Taxi nehmen und sehen, was sich machen lässt.«
Jetzt kam Bewegung in den Mann an der Rezeption.
»Meine Dame, mein Herr, das kann ich für Sie erledigen. Sie müssen dafür nicht in die Stadt fahren. Draußen ist es heute sehr staubig, ein
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