Die Terranauten 013 - Der Fremde
eingefühlt hast, was wir Menschen Humor nennen. So, und jetzt könntest du mich wieder zu meinen Freunden bringen!«
»Gern! Dieses ›Humor‹ ist übrigens eine eurer wenigen sympathischen Eigenschaften. Es läßt auf eine weitere geistige Entwicklung hoffen.«
Ehe sich Karel Krystan versah, hatte ihn Cantos auf die Arme genommen und sprintete mit ihm los.
Karel Krystan war völlig irritiert. Aber dann bewunderte er das Spiel der Muskeln. Der Außerirdische war völlig durchtrainiert. Sein Atem beschleunigte sich zwar in Anbetracht der Anstrengung, aber er keuchte nicht.
Der Treiber wehrte sich. Es behagte ihm nicht, wie ein kleines Kind durch die Gegend geschleppt zu werden.
Cantos belehrte ihn: »Bei dieser Geschwindigkeit könntest du dir das Genick brechen, mein Lieber. Sei brav!«
Krystan fügte sich in sein Schicksal und hoffte, daß sie nicht vorzeitig von den Rebellen entdeckt wurden, die Cantos Fürsorge sicher mißverstehen würden.
*
Einen Tag lang warteten die Rebellen, was passieren würde. Sie sprachen kein Wort über Karel Krystan oder Cantos.
Am zweiten Tag sagte Aldo Fahn:
»Man sollte nicht menschliche Verhaltensweise auf einen Außerirdischen projizieren und damit seine Handlungen erklären. Wie findest du das, Otakar Smeral?«
Otakar blieb die Antwort schuldig.
Aldo Fahn sagte nichts mehr. Das brauchte er auch nicht. Er war ein geschickter Führer. Begierig nahmen seine Leute diese Worte auf und interpretierten sie auf ihre Weise.
Sie sprachen sich damit von jeglicher Schuld frei und diskutierten miteinander darüber. Die Moral in der großen Gruppe festigte sich wieder. Die Männer wurden selbstbewußter.
Don Pietro faßte die Meinung der Gruppe in Worte, als er zu Fahn sagte:
»Als die Treiber gegen die Willkür der Grauen Garden angingen, indem sie eine Superloge bildeten und den Hilferuf auf PSI-Ebene ins All strahlten, sahen wir darin ein Zeichen zur Rebellion. Die Treiber selbst haben uns davor gewarnt. Die Folgen müssen wir heute tragen. Wie lange bleiben wir Verfemte?«
»Bis die Grauen Garden das System verlassen!« lautete die Antwort des Rebellenführers. »Jeder weiß es. Warum fragst du?«
»Die Männer sind ungeduldig und wollen sich nicht mehr länger verstecken. Sähen die Grauen wirklich eine Gefahr in uns, würden sie alles daransetzen, uns zu finden. Bisher haben wir nichts dergleichen bemerkt. Die Fahndung nach uns ist vielmehr eingeschlafen.«
»Don Pietro, es klingt sehr gut, was du mir zu sagen hast, aber wäre es nicht besser, weiterhin Geduld zu üben? Vielleicht haben die Grauen im Moment anderes zu tun, als sich ausgerechnet um uns zu kümmern? Möglicherweise warten sie gerade darauf, daß uns die Luft ausgeht und wir reumütig zurückkehren? Damit hätten sie sich viel Mühe erspart.«
Es war ein weiterer Schritt in die Richtung, den alten Zustand im Lager wiederherzustellen.
Don Pietro ging, und als Aldo Fahn nach seinen Leuten sah, spürte er förmlich die Solidarität mit seinen eigenen Vorstellungen von der Zukunft.
Und dann wurde die Ordnung im Rebellenlager wieder gestört.
Es begann damit, daß die Wache einen schrillen Pfiff ausstieß. Es war das äußerste Zeichen für eine Gefahr, die erst im letzten Augenblick erkannt worden war.
Zu spät, das Lager aufzulösen und zu fliehen. Sofort griffen die Männer nach ihren Waffen und verwandelten das Lager in eine provisorische Festung.
Niemand wußte, wie die Gefahr für sie überhaupt aussah. Die Wache kam nicht dazu, es ihnen zu erklären.
Es war auch nicht notwendig, denn alle sahen es mit eigenen Augen: Cantos, der Außerirdische, kehrte zurück – genauso, wie er sie verlassen hatte. Mit einem einzigen, fast unbedeutenden Unterschied: Karel Krystan auf seinen Armen schlief nicht, sondern erfreute sich anscheinend bester Gesundheit.
Cantos stellte ihn auf die Füße. Der Atem des Genessaners ging schwer. Er hatte einige Anstrengung hinter sich. Karel Krystan war kein Leichtgewicht.
Die Rebellen wußten nicht, wie sie reagieren sollten. Die alten Befürchtungen wurden wieder wach. Erst zwei Tage waren vergangen.
Ohne den ausdrücklichen Befehl von Aldo Fahn ging über die Hälfte der Männer zum Angriff über. Von allen Seiten warfen sie sich auf den Außerirdischen. Er sollte keine Chance haben – diesmal nicht!
Aldo Fahn konnte nichts dagegen tun. Es war ein Ausnahmezustand – ausgelöst durch den Pfiff der Wache, der einen Angriff signalisierte.
*
»Halt!«
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