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Die Terranauten 031 - Der Einsame von Ultima Thule

Die Terranauten 031 - Der Einsame von Ultima Thule

Titel: Die Terranauten 031 - Der Einsame von Ultima Thule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Christoff
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Augen.
    »Es wirkt«, sagte Keller leise und kehrte an die Computer zurück, um die Reaktionen des Ungeborenen zu kontrollieren. Growan hielt Myriams schlaffe Hand. »Nenne ihn David«, sagte sie noch einmal. »Er wird mit Yggdrasil sprechen. Ich habe noch etwas für dich. Merlin wird es dir geben.«
    Für einige Minuten lag sie still. Growan lauschte auf ihre regelmäßigen Atemzüge, die plötzlich schneller wurden. Keller stürzte heran und stieß Growan grob zur Seite.
    Er packte Myriams Schultern, die aus weitaufgerissenen Augen nach oben starrte und sich ihm zu entwinden suchte.
    »Werte im Nullbereich!« schrie ein Assistent vom Computer her. »Sie stirbt!«
    »Escopolan!« brüllte Keller zurück. »Doppelte Dosis! Das Kind kommt jede Sekunde!«
    Growan lehnte mit dem Rücken an der Wand und suchte mit ausgebreiteten Armen nach Halt. Er sah die Rücken der Männer, die sich um Myriam drängten, hörte brüllende Stimmen und ein durchdringendes röchelndes Atmen, sah, wie Keller alle Kraft aufwandte, um Myriam auf der Pritsche zu halten, und wie er plötzlich erschlaffte und sich abwandte.
    Das Schreien, das Röcheln – nichts mehr. Aber ein neues Geräusch – eine wuterfüllte, trotzige Kinderstimme, die ihren Protest gegen die weißen Wände schrie.
    Einer der jungen Männer, die mit Keller zusammenarbeiteten, kam auf ihn zu. Er hielt den strampelnden, um sich schlagenden kleinen Körper mit beiden Händen vor sich.
    »Meinen aufrichtigen Glückwunsch«, sagte er. »Ein gesünderes Kind hat es wahrscheinlich nie gegeben.«
    Growan blickte an ihm vorbei. Der zweite Assistent hatte die Entbindungsliege in einen rechteckigen Kasten geschoben und schloß die Türen.
    »Wo habt ihr Myriam hingetan?« fragte Growan verwirrt. »Wo ist sie? In ihrem Zimmer?«
    »Sie ist gestorben«, sagte Keller, ohne Growan anzusehen. »Sie muß allergisch gegen die Injektionen gewesen sein. Der Bluttest weist fremde Stoffe aus. Ich werde das sofort genau überprüfen.«
    »Tot?« Growan ging an seinem Sohn vorbei, ohne ihn zu sehen. »Ja, natürlich, sie ist tot.«
    Hinter ihm schloß sich die Tür. Die vier Männer blickten sich an.
    »Er hat den Kleinen überhaupt nicht beachtet«, sagte der Assistent. »David terGorden, du weißt es noch nicht, aber dir stehen schwere Zeiten bevor.«
     
    *
     
    Keller wanderte unruhig durch die Praxisräume. Seine Kollegen hatten sich verabschiedet und gingen in der Stadt ihren Vergnügungen nach. Der Dottore hätte sich ihnen gerne angeschlossen, um in einem Meer aus Stimmen und Musik die Erinnerung an Myriams sterbendes Gesicht loszuwerden. Sie mußte geahnt haben, daß die Stärkungsinjektionen, die bei jeder Geburt verabreicht wurden, ihr Tod sein würden. Warum hatte er nicht auf sie gehört?
    Er blieb stehen und starrte gedankenverloren auf die kahle Wand. Er dachte an Berlin, an die Folter, an seine Kinder in der Gewalt der Grauen Garden. Valdec und sein Auftrag – wie sollte er ihn jetzt noch erfüllen?
    »Ich habe Myriam nicht mit Absicht getötet«, murmelte er und nahm seine Wanderung wieder auf. »Valdec muß das begreifen. Ich kann seinen Auftrag nicht ausführen.«
    Beruhigt ließ er sich an dem Analysecomputer nieder und beugte sich über die Auswertung von Myriams Blut, Gewebe und Knochenmark. Das Licht in der Praxis war zu grell. Es stach in seine Augen und brachte sie zum Tränen.
    Keller hantierte an dem Regler und sah, wie die Leuchtfelder matter wurden, aber der Schmerz in seinen Augen blieb und fraß sich weiter durch seine Schädelknochen in sein Gehirn.
    Aufstöhnend schlug er die Hände vors Gesicht und massierte mit den Fingerspitzen seine Stirn. Das Halbdunkel in seinen gewölbten Händen war von roten Kometen durchsetzt, die aufzuckten und verglühten, aber Keller glaubte jedesmal, in den Funken ein Gesicht zu erkennen.
    Er ließ die Hände sinken, lehnte den Kopf zurück und versuchte, sich zu entspännen, aber die Bilder blieben. Sie wurden deutlicher, und es konnte keinen Zweifel mehr geben – die Gesichter seiner Frau und seiner beiden Kinder. Tote Gesichter. Die Starre des Todes hatte den Ausdruck des Entsetzens in ihren Zügen festgehalten, wie ein Künstler in Modellierprotop.
    »Myriam!« sagte die Stimme Valdecs. »Bring Myriam nach Berlin!«
    »Aber sie ist tot!« schrie Keller und trommelte mit den Fäusten auf das Pult.
    Eine andere Stimme übertönte sein Schreien: Das Kind, für das er eine provisorische Schlafgelegenheit in seiner Praxis

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