Die Terranauten 035 - Die Piraten-Loge
Vermutlich hatte die Große Graue auch genau diese Absicht verfolgt.
»Der Mann neben der Bahre ist der Experte Orger Moon. Er hat die wissenschaftliche Aufsicht über den Komplex Yggdrasil.
Der Mann auf der Bahre war einst ein Treiber. Zuletzt nannte er sich Astos, und er starb auf Argus, dem zweiten Planeten der Sonne Astos’ Augen. Wie wir inzwischen nach Überprüfung unserer Datenbanken erfahren haben, ist Astos nicht sein richtiger Name.
Früher hieß dieser Treiber Jonsson, und er war Mitarbeiter der Kaiser-Garden – wenn auch nicht freiwillig. Er hatte den Auftrag, den damaligen Biotroniks-Konzern unter Generalmanag Growan terGorden zu infiltrieren und Generalmanag Max von Valdec Informationen über die Experimente an dem Urbaum Yggdrasil zu liefern …
Der Treiber Jonsson scheiterte.
Nach einem Fehlschlag schied er aus den Diensten der Garden aus und verschwand unter fremdem Namen irgendwo in der Galaxis.
Jetzt haben wir ihn wiedergefunden.
Dieses Gewächs auf seiner Brust ist eine verkleinerte Version der Borstenzapfenkiefer von der Insel Irminsul auf Ultima Thule. Es ist ein Ableger, und unseren Erkenntnissen zufolge müssen die Samenkapseln kurz nach dem Tode des Treibers Jonsson alias Astos gekeimt haben.«
Wieder schwieg die Graue, und Abashe beeilte sich, verständnisvoll zu nicken, obwohl sie die Dinge, die sie hier vernahm, nur in ihren Umrissen wirklich begriff.
»Aus bestimmten Gründen, Adeptin doNhor, sind die Grauen Garden auf diesen Ableger Yggdrasils angewiesen. Diese Gründe brauchen Sie nicht zu interessieren, aber ich kann Ihnen versichern, daß sehr, sehr viel davon abhängt.«
Abashes Blick wurde immer wieder wie hypnotisch von dem seltsamen Gewächs angezogen, das aus der Brust des Toten herauswucherte. Wie lange mag er wohl schon tot sein? fragte sie sich. Er wirkt noch völlig unversehrt. Als könnte er im nächsten Moment die Augen aufschlagen.
»Nun zu Ihrer Aufgabe, Adeptin.«
Diesmal klang die Stimme trotz des Verzerrers hart und fordernd.
Abashe neigte den Kopf, wie sie es gelernt hatte. Und wie sie es gelernt hatte, sagte sie: »Ich höre und gehorche, Herrin.«
»Experte Orger Moon hat eine Möglichkeit gefunden, eine Art … Kontakt zu dem Keimling aufzunehmen. Wir stützen uns dabei auf die geheimen Erkenntnisse Biotroniks’, die bei der Zerschlagung dieses Konzerns dem Konzil und der Gardeführung in die Hände fielen.
Für diese Kontaktperson sind jedoch bestimmte Voraussetzungen erforderlich.
Erstens darf sie keine gehirnoperierte Graue sein.
Zweitens ist eine bestimmte körperliche Konstitution erforderlich; genauer: ein Nervensystem, das sämtliche Signale mit einer bestimmten spezifischen Geschwindigkeit weiterleitet.
Beides trifft bei Ihnen zu, Adeptin doNhor. Wenn Sie Erfolg haben, werden Ihnen die gesamten Garden zu Dank verpflichtet sein.«
»Was … was muß ich tun?« flüsterte Abashe.
Die Große Graue schien für einen Moment zu zögern. Oder war es nur Einbildung? fragte sich die junge Frau von Sigma Chorn. Spielten ihr ihre überreizten Nerven einen Streich?
Sie hatte Angst, analysierte sie nüchtern ihren Gemütszustand. Diese ganze Szenerie – die goldäugigen Frauen, die Nebelgestalt, der Experte mit seinen schlaffen, runzligen Atemsäcken und der gespenstische Töte mit dem zerzaust wirkenden Borstenkieferzapfen – etwas wie Grauen lauerte dahinter.
»Adeptin doNhor«, schnarrte die verzerrte Stimme, »ich erwarte, daß Sie meinem Befehl Folge leisten. Sie werden nicht sterben. Orger Moon ist überzeugt, daß es keine Komplikationen geben wird.
Es ist erforderlich, daß man eine – allerdings ungefährliche – Operation durchführt. Man wird Ihren Lymphkreislauf mit dem zellularen System des Yggdrasil-Ablegers verbinden. Man wird Ihnen bestimmte Drogen geben, um Ihnen die Kommunikation zu erleichtern. Man wird darüber hinaus das PSI-Zentrum des konservierten Treiber-Gehirns künstlich aktivieren und es elektronisch reizen, sobald Sie das Signal dazu geben.
Sie erfüllen eine edle Pflicht.
Eine Pflicht, die dem Erhalt der Grauen Garden dient.«
Abashes Augen hatten sich geweitet. Ihr Puls ging schnell, ihr Herz hämmerte verzweifelt in ihrer Brust.
Ein Alptraum! dachte sie. Es ist ein Alptraum!
Ein monströser, abscheulicher Nachtmahr.
»Adeptin?« gellte die Nebelgestalt.
Abashe doNhor erhob sich, und sie mußte sich an der Tischkante festhalten, um nicht zu wanken. Sie schluckte, sah in die goldenen Augen, die ernst
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