Die Terranauten 037 - Sternenlegende
unerträglichen Schmerz, und dann mußte sie irgendwann die Besinnung verloren haben. Vorher aber hatte sie noch die Suchgleiter der Wächter gesehen, ihre grellen Scheinwerfer, die die Nacht zum Tag hatten werden lassen. Sie mußten genau gewußt haben, wo das abgestürzte Fahrzeug zu suchen war, denn sie hatten es auf Anhieb gefunden.
Eine Falle! dachte sie und ballte dabei ihre Hände zu Fäusten. Es konnte nicht anders gewesen sein. Verrat. Erst die defekten Anzeigen des Gleiters, dann das »Einsammeln« der Havarierten. Irgend jemand aus dem Lager mußte sie verraten haben. Und die Wächter hatten daraufhin nur mit den Ausbrechern gespielt.
Rollo, Greeny und Whity. Narda wagte sich nicht vorzustellen, was in der Zwischenzeit mit ihren Freunden geschehen war. Verschärfte Arbeitsbedingungen.
Der Wind zerrte an ihrer zierlichen Gestalt, und sie blieb stehen, erschöpft, ausgelaugt. Der Wind mußte sie mit Sand zugedeckt haben; nur so war es zu erklären, daß sie von den Uniformierten nicht entdeckt worden war.
»Aus. Erledigt. Vorbei.« Ihre Stimme war brüchig und klang selbst für ihre eigenen Ohren fremd. Wie lange war sie schon in dieser Einöde marschiert? Tage, Wochen, Monate? Sie wußte es nicht. Hunger und Durst brannten in ihr wie zwei unlöschbare Feuer.
Langsam taumelte sie weiter. Hoch am Himmel brannte der weiße Ball Reshnan Betas gnadenlos.
Narda hatte jede Orientierung verloren. Sie vermochte nicht mehr zu sagen, in welcher Richtung das Internierungslager lag. Aber das war ohnehin nicht ihr Ziel. Sie hatte überhaupt kein Ziel. Selbst wenn sie das Lager gefunden hätte: Dort erwarteten sie auch nur neue Gefangenschaft und schließlich Tod.
Plötzlich blieb sie stehen und horchte. Ihre rissigen Lippen preßten sich aufeinander; ein dünner Blutfaden drang daraus hervor. Es war ihr, als hätte sie etwas vernommen, einen fernen, verzweifelten Ruf. Rasch sah sie sich um. Aber da war niemand, niemand außer Sand, Wind und gnadenloser Hitze. Die Schlicktaucher fielen ihr ein. Bisher hatte sie keins dieser rätselhaften Geschöpfe zu Gesicht bekommen. Es wäre wenigstens ein schneller Tod gewesen.
Sie stolperte weiter. Fern am Horizont erkannte sie die schwarzbraune Masse des riesigen nördlichen Schlickmeeres. Dunkel erinnerte sie sich daran, wie sie vor einigen Monaten zusammen mit einer Reihe von anderen Internierten den Auftrag erhalten hatte, bestimmte Bakterienstämme hier auszusetzen, die die chemische Beschaffenheit des seltsamen Schlicks veränderten und nach und nach dafür sorgen würden, daß aus dem zähen Brei bearbeitbarer Boden würde. Vielleicht, dachte sie, befinde ich mich hier schon in einem Gebiet, das umgewandelt worden ist.
Und dann plötzlich gab der Boden unter ihren Füßen nach. Erst zeigten sich haarfeine Risse in der hellbraunen Masse, dann knirschte es, und bevor die Siebzehnjährige noch zur Seite springen konnte, wurden aus den Rissen breite Spalten.
Ihre Füße brachen ein, und einen Atemzug später fühlte sie, wie eine zähe, gluckernde Masse an ihr hochkroch. Narda stieß einen erschrockenen Ruf aus, und ihre Hände tasten umher, nach Halt suchend. Kraftreserven, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte, wurden mobilisiert. Scharfe Kanten schnitten hart in ihr Fleisch; sie stöhnte und setzte ihre Bemühungen fort, sich aus dem Schlick, der dicht unter der so sicher wirkenden Oberfläche verborgen war, zu befreien.
Laß dich doch einfach fallen, sagte eine Stimme in ihr. Hinab in den Schlick, und alles ist vorbei, schnell und gründlich.
Ein Bild entstand vor ihrem inneren Auge. Blonde Haare, ein scharfgeschnittenes Gesicht.
David! gellte es in ihr.
Sie stemmte sich mit der ganzen ihr noch verbliebenen Kraft gegen den Sog. Es schmatzte und gurgelte, dann schob sie sich auf eine feste Scholle. Geschafft.
Sie wollte bereits erleichtert aufatmen, als sich auch hier Risse zu bilden begannen. Rasch legte sie sich nieder und versuchte, ihr Gewicht möglichst gleichmäßig auf der unsicheren Unterlage zu verteilen. Es knirschte und knackte.
Und dann zerbrach die Scholle in Dutzende von Einzelstücken. Narda sah den schwarzbraunen Schlick näher kommen, und ihre Gedanken waren ein einziges Chaos. Sie stürzte in die zähe Masse, fühlte, wie sie sich um sie schloß. Ihre Hände suchten verzweifelt nach Halt. Dann erreichte der Schlick ihren Kopf und erstickte den sinnlosen Ruf nach Hilfe.
*
Der Raum war verwinkelt und maß ungefähr vierzig
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