Die Terranauten 080 - Der Himmelsberg
nicht vergittert. Aber das half mir nicht viel. Es war viel zu schmal, um mich hindurchzwängen zu können. Selbst ein Dreijähriger hätte schon Schwierigkeiten gehabt, den Raum auf diesem Wege zu verlassen.
Ein Gedanke kam mir. Und wenn ich versuchte, das Fensterloch mit. Hilfe der Schleifscheibe zu vergrößern? Für einen Augenblick war ich begeistert von dieser Idee. Dann aber dachte ich ein bißchen nach, und meine Begeisterung schwand sofort dahin. Eine Schleifscheibe, die zur Metallbearbeitung gebrannt worden war, eignete sich nicht zum Steinschneiden. Das Kommaterial, aus dem die Scheibe bestand, hatte die falsche Härte. Und außerdem war die Scheibe viel zu breit. Was ich brauchte, war eine Trennscheibe, wie sie beim Schneiden von Felsblöcken Verwendung fand. Mit dem Ding, das auf dem Bock aufgespannt war, würde ich eine Ewigkeit brauchen, um die Ziegelsteine des Strafhauses wegzuschleifen.
Draußen ging inzwischen der Tag zur Neige. Die grauen Wolken, die über dem Clandorf hingen, wurden dunkler und dunkler. Außerdem hatte es angefangen, wieder einmal zu regnen. In einigen Häusern brannten bereits die Lichter. Auf dem Hauptplatz, an dem das Strafhaus lag, sah und hörte ich mehrere Brüder und Schwestern. Niemand schenkte mir auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Alle hatten es eilig, dem Regen zu entkommen. Aber selbst wenn schönes Wetter gewesen wäre, hätte mich kaum jemand beachtet. Einer, der im Strafhaus saß, wurde allgemein mit Verachtung gestraft, bis er wieder draußen war. Das gehörte zur Strafe ganz einfach dazu. Es wäre also absolut sinnlos gewesen, wenn ich jemanden angerufen hätte.
Ich kehrte zu meiner Pritsche zurück und legte mich wieder hin. Die Lampe über meinem harten Lager machte ich nicht an. Im Halbdunkel konnte man besser nachdenken. Und da ich sowieso nicht vorhatte, die Messerrohlinge zu bearbeiten, brauchte ich ja auch kein Licht.
Als es draußen schon fast ganz dunkel geworden war, kam Clanbruder Fran, um mir das Abendessen zu bringen. Als er die Tür aufschloß, schwang ich mich von der Pritsche und sprang auf.
»Bei den Clanahnen, warum machst du denn kein Licht?« begrüßte er mich.
Während er vom Lichtschein der Flurlampe erfaßt wurde, stand ich im Dunkel. Er konnte mich nur ganz undeutlich erkennen.
Ich verspürte ein Jucken in den Fingern. Sollte ich mich auf ihn stürzen? Dunkelheit und Überraschungsmoment standen ganz auf meiner Seite, denn natürlich rechnete Fran nicht im Traum damit, daß ich ihn angriff.
Sprungbereit stand ich da, mit trockenem Hals und wild jagendem Puls. Die Hände hatte ich zu Fäusten geballt.
Los! gab ich mir selbst das Kommando. Spring ihn an und … Ich konnte es nicht. Weniger, weil ich Angst vor Fran hatte oder die Strafe fürchtete, falls die Aktion danebenging. Es war mehr die Scheu, mich an einem Clanbruder zu vergreifen, der mir nicht das geringste getan hatte.
Fran trat ein und stellte die Platte mit zwei gefüllten Näpfen und einer Tasse auf den Boden vor der Pritsche. Dabei wäre er fast über den Haufen Messerrohlinge gestolpert, den ich malerisch dort ausgebreitet hatte.
Wieder hätte ich eine günstige Gelegenheit gehabt, ihn zu überrumpeln. Aber inzwischen hatte ich mich endgültig entschlossen, nichts Gewaltsames zu unternehmen. Auch einen schnellen Sprung zur Tür riskierte ich nicht. Fran war zwölf Jahre alt und zumindest genauso schnell wie ich. Er hätte mich im Handumdrehen wieder eingeholt, und dann wäre es doch zu dem Kampf gekommen, den ich vermeiden wollte.
»Wenn ich dir einen guten Rat geben darf, Bruder Thor«, sagte Fran, als er wieder zur Tür zurückging, »dann würde ich langsam mal mit der Arbeit anfangen. Oder hast du vor, noch ein paar Tage länger hierzubleiben?«
»Warum nicht?« gab ich mürrisch zurück. »Hier gefällt es mir besser als draußen auf der Weide.«
Natürlich stimmte das nicht. Zwar war es alles andere als ein Vergnügen, mit Garss zusammenzuarbeiten. Aber es war mir ganz bestimmt lieber, als hier im Loch zu stecken und Messer zu schleifen.
Fran lachte. »Habe bisher noch gar nicht gewußt, daß du ein Stubenhocker bist. Na ja, wenn es dir wirklich Spaß macht …«
Er ging und machte die Tür hinter sich zu. Der Schlüssel drehte sich im Schloß, und meine Chance, dem Strafhaus zu entfliehen, war unwiderruflich dahin.
Ich verwünschte mich selbst. Ein charakterloser Bursche wie Moss hätte wahrscheinlich weniger Probleme mit sich gehabt. Allerdings
Weitere Kostenlose Bücher