Die Terranauten 082 - Das Mistel-Syndikat
hinunter.
»Merkst du nicht, daß du hier nach allen Regeln der Kunst für dumm verkauft wirst?« redete Oona weiter. »Arzneimittel! Wir haben keine Arzneimittel an Bord, und auf Parisienne wütet auch keine verheerende Seuche. Wir schmuggeln Misteln, sonst gar nichts! Aber was spielt das jetzt für eine Rolle? Es geht um unser Leben. Darum hör jetzt endlich mit deiner albernen Fragerei auf, und komm hoch!«
Ich glaubte, nicht recht zu hören.
»Stimmt das, was sie sagt?« wandte ich mich an Laacon Merlander, der ein vieldeutiges Gesicht machte.
Der Logenmeister nickte zögernd. »Ja, es stimmt«, sagte er leise.
Mir war, als sei ich gegen eine Wand gelaufen. Ja, Oona Karf lag genau richtig. Man hatte uns nach allen Regeln der Kunst für dumm verkauft, hatte uns auf hinterlistige und gemeine Art und Weise getäuscht. Und warum? Die Antwort lag auf der Hand. Wenn man uns gleich die Wahrheit gesagt hätte, wären wir niemals bereit gewesen, uns als Treiber zur Verfügung zu stellen.
Die Drei-Minuten-Frist, die uns die Verfolger gesetzt hatten, lief ab …
*
Der Monitor, der ein Bild von der unmittelbaren Umgebung der STORTIS lieferte, schien plötzlich zu explodieren. Er erstrahlte in gleißender Helligkeit und zeigte den wilden Tanz von Myriaden von entfesselten Lichtpartikeln.
Die Regierungsschiffe hatten das Feuer auf unseren Raumer eröffnet!
»Thor, Jelina, wie lange wollt ihr noch warten?« schrie Artuur Morgh. »Noch hält unser Energieschirm. Aber wenn das Laserbombardement so weitergeht, sind wir unweigerlich verloren!«
Ich mußte eine Entscheidung fällen. Einerseits widerstrebte es mir zutiefst, diesen Mistelschmugglern, die mich so schmählich hintergangen hatten, zu helfen. Andererseits aber ging es auch um mein Leben. Und um das Jelinas!
»Komm«, sagte ich zu meiner Clanschwester.
Gemeinsam liefen wir zur Wendeltreppe hinüber. Laacon Merlander, der noch auf uns wartete, atmete tief auf. Und auch alle anderen waren sichtlich erleichtert.
In der Treiberkuppel nahmen wir sofort in unseren Schalensitzen Platz. Den kranken Kirju Haapala eingeschlossen waren wir sieben Treiber, wobei ja der Logenmeister, der nur koordinierende Aufgaben hatte, nicht mitzählte. Diesmal ging es nicht darum, eine Transition nach Weltraum II herbeizuführen. Statt dessen war es unser Ziel, einen aus PSI-Energie bestehenden Schirm aufzubauen, um die STORTIS vor dem Beschuß der Parisienne-Schiffe zu schützen.
Nachdem Laacon Merlander mir und Jelina erklärt hatte, was wir zu tun hatten, fingen wir an.
Die Prozedur hatte viele Gemeinsamkeiten mit einem Treiberflug. Wir faßten uns alle an den Händen, um die unterbewußte Kontaktbereitschaft jedes einzelnen zu erhöhen. Dann blickten wir alle auf die Mistel in ihrer Silberschale und konzentrierten uns.
Innerhalb weniger Augenblicke fing der Ableger Yggdrasils an, einen goldenen Glanz abzugeben. Unsere PSI-Ströme flossen in der Blüte zusammen, wurden zu einem einheitlichen Ganzen, zu einem Zentrum geballter psionischer Energie.
Das Zentrum dehnte sich nach allen Seiten aus, sprengte die Grenzen der Treiberkuppel, durchdrang dann auch die Schiffswandungen und legte sich wie eine Glocke um die STORTIS.
Der PSI-Schirm stand!
Und er wurde sofort einer Bewährungsprobe unterzogen. Laserstrahlen jagten lichtschnell heran und trafen mit energetischer Gewalt auf den Schirm.
Aber sie hatten keine Chance, ihn zu durchdringen – noch nicht. Sie trafen auf, wurden augenblicklich reflektiert und verloren sich dann ziellos im leeren Raum, ohne Schaden anrichten zu können.
Doch es kostete uns Kräfte, den Schirm stabil zu halten. Jeder auftreffende Laserstrahl nahm etwas PSI-Energie weg, und wir mußten uns anstrengen, um den Verlust wieder auszugleichen. Wie lange wir das durchhalfen würden, wußte ich nicht. Eine Ewigkeit bestimmt nicht.
Währenddessen ging die wilde Jagd durch das Gallia-System unvermindert weiter. Die Verfolger waren uns inzwischen ziemlich nahe gekommen. Aber das half ihnen nicht viel. Entern konnten sie die STORTIS nicht.
Andockmanöver waren nur möglich, wenn die Schiffe mit genau gleicher Beschleunigung parallel flogen.
Das Laserbombardement ging weiter. Langsam fing ich an, die Anstrengung zu spüren. Nicht nur die psionischen Kräfte wurden beansprucht, sondern auch die physischen. Die ständige Konzentration ging an die körperliche Substanz. Und nicht nur mir ging es so, sondern auch den anderen.
Unsere Schwierigkeiten wurden
Weitere Kostenlose Bücher