Die Terranauten 091 - Die Sümpfe von Genessos

Schließlich irren sich Supertreiber nie.«
    »Nein!« sagte Scanner Cloud. »Was nein?«
    »Ich werde dich dabei nicht unterstützen, denn die Supertreiber werden mir genausowenig vertrauen wie dir. Bisher hat es noch keine Auseinandersetzungen zwischen ihnen und uns gegeben. Ich möchte alles vermeiden, was …«
    Ich konnte mich nicht mehr beherrschen und brauste auf: »Ja, ist denn das ein Tollhaus mit lauter Bescheuerten, oder besteht noch die Hoffnung, daß die Besatzung irgendwann zur Vernunft kommt?«
    Morgenstern bemerkte einsilbig: »Farrell hat recht: Du übernimmst mehr und mehr seinen Stil.«
    Ich schickte ihm einen giftigen Blick, aber dann machte mich die Bemerkung stutzig.
    Woher wußte Morgenstern das? Was wußten die beiden Lenker überhaupt? Sie hatten in der Vergangenheit oftmals bewiesen, daß sie zu unglaublichen Dingen fähig waren, obwohl sie sich im Kontakt mit den alten Freunden innerhalb der Terranautenbewegung große Mühe gaben, nicht zu sehr aufzufallen.
    Ich verschob eine diesbezügliche Frage auf einen späteren Zeitpunkt und wandte mich wieder an Scanner Cloud, wieder ruhiger geworden. »Paß auf, Scanner, es ist ganz einfach, denn es gibt nur noch zwei Möglichkeiten:
    Entweder wir verfolgen diesen Kurs, bis wir verschimmeln, oder wir bringen die Besatzung wenigstens vorübergehend unter einen Hut, damit wir gegenüber unserem Gesprächspartner Einigkeit demonstrieren können.«
    »Und genau darin liegt dein Fehler, Llewellyn!« behauptete Scanner Cloud.
    Es zeigte mir eines: Allwissend waren die Lenker nicht, sonst wäre er auf meinen kleinen Trick nicht hereingefallen.
    Eine uralte Waffe in der Rhetorik: Willst du jemanden dazu bringen, deine Meinung zu teilen, erzeuge ein drittes, offensichtlich falsches Bild, damit du anhand dieses Beispiels deine Meinung glaubwürdig erklären kannst. Dein Gesprächspartner wird am Ende glauben, ihr wäret gemeinsam zu dem »einzig gültigen Schluß« gelangt, und wird nicht merken, daß er sich nur deiner Meinung angepaßt hat.
    Doch Vorsicht: Sobald dein Gesprächspartner wieder Gelegenheit zur Besinnung bekommt, wird er wieder auf seinen eigenen Standpunkt umschalten, weil du diesen bei einem solchen Vorgehen nicht in Frage gestellt hast.
    Ich hatte nicht viel Zeit und konnte mir einen solchen Trick somit erlauben. Hauptsache war, Scanner Cloud auf meine Seite zu bringen. Es kam auf den augenblicklichen Effekt an. Was später kam, interessierte mich im Moment wenig.
    »Wieso Fehler?« fragte ich scheinbar überrascht.
    »Die Genessaner sind als Individualisten bekannt und brauchen keine demonstrierte Einigkeit. Es ist schon besser, wenn wir …«
    Ich unterbrach ihn nachdenklich: »Du hast recht, Scanner, aber so, wie es an Bord ist, scheint es dem Genessaner nicht zu gefallen. Also muß man es ändern.«
    »Nicht die Situation muß man ändern, sondern die Haltung der Beteiligten!«
    Scanner Cloud sagte es und merkte nicht, daß er damit bereits verloren hatte. Vorhin hatte er noch auf seine Neutralität gepocht, aber mit diesem neuerlichen Standpunkt gab er bereits zu, daß es erforderlich wurde, die Neutralität aufzugeben.
    »Nein«, widersprach ich ihm gewollt, »wir müssen alle Besatzungsmitglieder auf einen gemeinsamen Nenner bringen, damit wir …«
    Scanner Cloud konnte nicht anders, als mir zu widersprechen – und sich damit noch weiter von seinem eigentlichen Standpunkt zu entfernen. Das Gesetz der Rhetorik funktionierte auch bei einem Lenker. Es war ihm genügend menschliche Verhaltensweise geblieben.
    »Es genügt doch, daß die endlich alle begreifen, daß es diesen blinden Passagier überhaupt gibt und daß er es ist, der uns in die Irre führt, weil er uns nicht traut. Begreifst du, Llewellyn? Wenn die Tatsache einmal akzeptiert ist, werden sich alle auf den Genessaner konzentrieren und …«
    Ich hatte Scanner Cloud in einer Beziehung unterschätzt: Er hatte sich zwar verändert, aber er war dadurch nicht unintelligenter geworden und schien auch irgendwann etwas von geschickter Rhetorik gehört zu haben.
    Er lachte plötzlich.
    »Also gut, Llewellyn, du hast gewonnen. Du hast mich dorthin geführt, wohin du wolltest: Ich sehe die Notwendigkeit ein, den Part der Überzeugung zu übernehmen. Die Supertreiber brauchen einen Beweis dafür, daß sie in die Irre geführt werden. Es wird nicht einfach sein.«
    Ich lächelte ihn an, aber er konnte es nicht sehen, weil sich bei diesem Lächeln nur unwesentlich die Riemen verschoben,