Die Terranauten 092 - Das Geheimnis der Genessaner
gebracht habe: Die Menschen haben uns schon einmal geholfen, eine Katastrophe zu überwinden. Vergessen wir das nicht.
Sie haben beim ersten Mal ihr Leben aufs Spiel gesetzt und kein Risiko gescheut. Sie werden auch diesmal kein Risiko scheuen. Und wir sollen dieses selbstlose Angebot aus purem Mißtrauen ablehnen? Ich wäre auch dafür, lieber mit Würde unterzugehen, als in Unwürde betrogen zu werden, aber es sieht doch ganz anders aus, Hüter des Erbes: Ich habe nichts und niemanden verraten, am allerwenigsten mein Volk. Ich bin hier, um Genessos zu retten, und es geht nicht allein um Genessos, obwohl ihr das nicht wahrhaben wollt, sondern wie schon beim ersten Mal um das Universum. Wir haben es auf der JAMES COOK erlebt: Denkende Erscheinungen in Weltraum II werden von der Entität angelockt. Es zeigt, daß die Entität nicht mehr funktioniert. Sie kann uns nichts mehr geben. Sie ist nicht mehr der Ausgleich unseres Lebens, der Hort des Geistes, der Zusammenschluß der Rassenewigkeit. Sie ist ein grausamer Moloch, der alles vernichtet.
Die überwunden geglaubte Katastrophe hat die Entität wahnsinnig gemacht. Sie handelt nicht mehr überlegt, und ihr muß genauso geholfen werden wie den Genessanern!«
Cantos zog sich wieder zurück.
Niemand bot uns Plätze an. Aber es machte uns nichts aus stehenzubleiben.
Wie hätten Plätze auch aussehen können? Bei einer solchen Artenvielfalt?
Wir gaben uns mit dem zufrieden, was war, denn es gab wichtigere Dinge.
Und dann, nachdem Lineasker noch einmal gesprochen hatte, meldeten sich verschiedene Hüter zu Wort.
Cantos war und blieb der perfekte Übersetzer.
Am Ende wurde abgestimmt – früher als erhofft.
Die Mehrheit war auf unserer Seite!
Damit hatten wir gewonnen.
*
Wie geplant nahmen Cantos, Thor 51 und Jana, die Hexe, an der Expedition zum Tafelberg teil. Es gab nur eine kleine Änderung: Lineasker kam ebenfalls mit. Das hatte sie sich ausbedungen.
Ich marterte mein Gehirn, ob sie das nun wegen Cantos getan hatte oder aus anderen Beweggründen.
Der Gleiter, in den wir stiegen, ähnelte Cantos’ Raumschiff, war nur wesentlich kleiner. Per Transmitter gelangten wir in die Atmosphäre über dem Dschungel.
Cantos steuerte. Lineasker war ganz nahe bei ihm. Ich spürte beider PSI-Flüstern, ohne es deuten zu können.
Die körperliche Veränderung von Cantos schritt unglaublich schnell voran: Zum ersten Mal hatte Cantos zu Bekleidungsstücken gegriffen! Er tat dies offensichtlich aus Pietätsgründen – uns gegenüber.
Für mich war es mehr als ein Kuriosum oder eine biologisch interessante Darbietung. Cantos war mein Freund, und er veränderte sich nicht nur körperlich. Niemals zuvor war mir Cantos so fremd erschienen.
Und auch Lineasker hatte kaum ein Auge für uns.
Es war mir klar, daß die Geschlechtsreife nur eingeleitet wurde, wenn der auserwählte Partner Resonanz zeigte. Wären die erforderlichen Gefühle einseitig geblieben, hätte Cantos sich nicht so entwickelt.
Und er bedeckte in bei den Menschen angeeigneter Scham die Körperstellen, die von der Geschlechtsreife besonders betroffen waren.
Oftmals tauschten Jana und ich bedeutsame Blicke. Nicht, weil das verhohlene Liebesspiel der beiden Genessaner uns ansteckte, sondern weil Jana ebenso Anteil an dem Vorgang nahm wie ich.
Sie hatte Cantos in den letzten Stunden ebenfalls als Freund erlebt.
Für mich hatte die Angelegenheit einen sehr bitteren Nebengeschmack: Ein Riemenmann war unfähig zur körperlichen Liebe!
Flüchtig dachte ich an ein vergangenes Erlebnis, als der Zwiespalt zwischen Können und Wollen am größten gewesen war.
Das Grausame an der Sache war die Tatsache, daß ich mich durchaus in eine Frau verlieben konnte, aber daß diese Liebe niemals einen Ausdruck finden konnte.
Verstohlen schielte ich nach Jana. Sie schien meinen Blick zu spüren und erwiderte ihn ernst.
Erschrocken wandte ich das Gesicht ab.
Sie schien zu wissen, was in mir vorging.
Vorsicht! bleute ich mir ein. Llewellyn 709, besinne dich. Du hast mehr als ein Fiasko in dieser Hinsicht hinter dir. Bleib auf dem Teppich, und vermeide jeden Gedanken daran. Es ist besser für alle Beteiligten. Und außerdem würde es dich nur von den wesentlichen Dingen ablenken.
In meinem Innern war ein fernes Brennen und Sehnen. Als ich es bekämpfte, trieb es mir die Tränen in die Augen. Unwillkürlich ballte ich die Hände zu Fäusten und schluckte einen trockenen Kloß hinunter, der anscheinend in meinem
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