Die Terranauten TB 02 - Der grüne Phönix
schneller und fiel dem Hitzemaul der Nova entgegen.
Merina träumte. Schmerz. Ihr Körper war kalt. Der Herzschlag hatte sich verlangsamt, das Blut war dick und kühl. Die Gedanken sickerten nur träge dahin. Der Alarmschrei der Kalbung war wie ein glühendheißes Messer, das durch ihre Gedanken schnitt. Hohldorne lösten sich von ihr und wurden von der Pflanzenwand wieder verschluckt.
Sie öffnete ihre Sinne und tastete nach dem Gedankenflüstern der Mistel.
Transit.
Der Segler tauchte wieder ein in den anderen Weltraum und jagte mit vielfacher Überlichtgeschwindigkeit dem fernen Ziel entgegen. Merina kontrollierte. Richtig. Ein grüner Punkt inmitten des Navigationsgespinstes … die Erde.
Wieviel Zeit hatte sie noch?
Übelkeit entstand in ihr. Eine Zeitlang kämpfte sie dagegen an, dann übergab sie sich, und ihr Mageninhalt wurde vom Segler absorbiert. Pflanzenarme streichelten ihren zitternden Körper, doch die Kalbung konnte nicht helfen.
Merina schlief einige Stunden. Sie wurde von Alpträumen geplagt, und als sie erwachte, fühlte sie sich schwächer als zuvor. Sie blickte ins Projektionsfeld. Der grüne Punkt war zu einer Scheibe geworden. Die Erde war nicht mehr fern. Sie konzentrierte sich erneut auf die Mistel, und die Geschwindigkeit des Seglers erhöhte sich.
»Rasch. Wir haben nur so wenig Zeit.«
Fern, an den Grenzen ihres Wahrnehmungsbereiches, war eine andere mentale Präsenz.
Llewellyn …
Ich habe dich zu vergessen versucht. Es fiel mir schwer. Verzeih mir, daß ich so einfach verschwand. Aber es war aussichtslos, von Anfang an. Dein Körper ist tödlich für mich. Und mein Geist ist Gift für deine Gedanken …
Kontratransit …
Ein von unzähligen Meteoriteneinschlägen zernarbter Mond glitt vorbei: Luna. Voraus blähte sich eine grüne, wolkenverhangene Welt auf … die Erde. Ein Modellplanet wie Sarym. Hoffnung für viele Menschen.
Der Segler wurde nun langsamer. Merina konzentrierte sich, doch als sie versuchte, einen psionischen Warnruf auszusenden, versagte sie. Schwache war in ihr. Sie atmete schwer. Sie passierten Energiesatelliten, Erinnerungen an eine vergangene Zeit. Einst hatten sie das Licht der Sonne gebündelt und per Mikrowelle zur energiehungrigen Erde abgestrahlt, heute waren sie leer, stumme Körper aus Stahl und Protop und Elektronik. Sie wurden nicht mehr gebraucht.
Die Präsenz am Rande ihres Wahrnehmungsbereiches verstärkte sich rapide. Unwillkürlich tastete Merina erneut zur Mistel. Sie spürte Gefahr, auch wenn sie diesen Eindruck nicht konkretisieren konnte.
Erste Wolkenfetzen trieben vorbei. Grün breitete sich unter der Tochterkalbung aus: die Variökologie.
Eine unsichtbare Hand hob Merina DeNeuven an und schleuderte sie an die Pflanzenwand. Etwas preßte ihr die Luft aus den Lungen und intensivierte die Schwäche in ihrem Körper. Sie sah ein diffuses, verschwommenes Bild:
Drei Menschen, die keine Menschen waren. Eine Tochterkalbung Suslats, größer als die, die sie hierhergebracht hatte. Der feste Wille, einen Risikofaktor zu töten.
Dieser Risikofaktor war sie selbst.
Irgendwo in ihren Gedanken machte sich erneut die Kalte Starre breit.
»Nicht jetzt. Bei Yggdrasil, nicht jetzt!«
Sie schüttelte den Kopf, nahm alle Kraft zusammen und versuchte, den fremden Einfluß zu verdrängen. Es gelang ihr nur unvollkommen. Die mentale Zange schloß sich enger um ihren Geist. Merina riß die Augen auf und starrte fassungslos auf ihre Hände. Sie begannen sich aufzulösen und waren bereits halb transparent. Sie kroch der Mistel entgegen, doch die Urbaumblüte glühte einmal hell auf und verwelkte dann innerhalb weniger Sekunden.
Merina begriff. Der Grüne Phönix hatte sich nicht einfach mit ihrer Flucht abgefunden. Er hatte ihr Mentalmörder hinterhergeschickt.
Die Kalte Starre war wie eine Flutwelle aus Frost, die durch ihren ganzen Körper spülte. Merina gab einen dumpfen Laut von sich und sank zu Boden. Ihre Gedanken schliefen ein, und ihre Körpertemperatur sank binnen Sekunden auf weniger als zwanzig Grad.
Einige Astronomische Einheiten entfernt schrieb die Djen auf.
V
Ich bin der Grüne Phönix. Ich bringe die Kunde von der kommenden Veränderung von Stern zu Stern. Das ist die erste Phase. Danach schließt sich die Grüne Invasion an, und das Wahre Leben wird sich überall ausbreiten und in neuem Glanz erstrahlen, so wie es einst gewesen ist, in einer Welt, die vor der unseren bestand.
Erde, Ultima Thule, 4. Februar 2510
Stumm
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