Die Terranauten TB 02 - Der grüne Phönix
Grün. Es steuerte sich selbst. Und vielleicht erschuf es auch Menschen, die mit ihm sprechen konnten. Wie auf Sarym die Mittler und Multimittler. Sie erinnerte sich genau daran. Der Bestäuber erzitterte. Merina suchte unwillkürlich nach Halt und richtete sich auf. »Etwas nicht in Ordnung?«
Curn schwieg eine Zeitlang. Dann gab er zurück: »Vielleicht nur ein Luftwirbel. Ich …«
Das Zittern wiederholte sich.
Der Bestäuber legte die Transparentflügel an und stürzte in die Tiefe. Das Grün kam rasend schnell näher. Curn Sheshona klammerte sich an den Tasthaaren des Bestäubers fest, um nicht vom Rücken heruntergeschleudert zu werden. Luft wirbelte an ihnen vorbei und trieb ihnen die Tränen in die Augen. Curn versuchte mit wachsender Verzweiflung, die Kontrolle über den Bestäuber zurückzugewinnen.
Es war zwecklos.
»Achtung!« rief er.
Merina kroch in den Tragbeutel des Schmetterlings zurück und zog ihn über ihrem Kopf zusammen. Eine heftige Erschütterung, ein schmerzerfülltes Zirpen und Kreischen. Brechende Äste, Zweige die wie Peitschenhiebe waren. Merina wurde hin und her gestoßen. Der Tragbeutel zerriß. Sie klammerte sich irgendwo fest, die Augen zusammengekniffen, doch auch dieser Halt gab nach, und sie spürte, wie sie fiel.
Der Aufprall war nicht annähernd so hart, wie sie befürchtet hatte. Der weiche Untergrund aus Moosen, Flechten und Blüten dämpfte ihren Sturz.
Eine Weile blieb sie liegen.
Stille plötzlich. Sie atmete schwer und öffnete die Augen. Direkt über ihr hatte der abstürzende Bestäuber eine Schneise in das Grün der Welt gerissen, einen vertikalen Schacht, durch den Helligkeit zum Grund herabdrang.
Sie richtete sich auf. Keine Verletzungen. Gut. Nur einige unwesentliche Hautabschürfungen.
»Curn?«
Keine Antwort. Sie setzte sich in Bewegung. Nach einigen Metern stieß sie auf die Überreste des Bestäubers. Ein zerfetzter Pflanzenkörper, farblose Flüssigkeit, die aus unzähligen Wunden sickerte und von den Moosen absorbiert wurde. Die Blütenkelche von Dornlosen Rosen hatten sich geschlossen; Laufwurzeln waren fest und tief im Boden verankert.
Nichts rührte sich.
»Curn?«
Leises Stöhnen, irgendwo in ihrer Nähe. »Curn …« Sie fand ihn schließlich, unmittelbar vor den hauchzarten Maschen eines Silbernetzes. Er war blaß, und er blutete aus Wunden an der Stirn und am Hals.
Das Silbernetz bewegte sich und berührte den rechten Arm Curns. Die Haut rötete sich dort sofort und warf Blasen.
Merina packte den anderen Arm des Reglosen und zog Curn aus der unmittelbaren Gefahrenzone.
Kein Grüner Helfer tauchte auf. Es war, als hielte die Variökologie den Atem an. Merina begriff, und sie schloß für einen Augenblick die Augen. Es gab nur eine Erklärung für den überraschenden Absturz des Bestäubers. Und es gab nur eine Erklärung dafür, daß kein Grüner Helfer herbeieilte, um die Verletzungen Curns zu heilen. Der Grüne Phönix … er war schneller gewesen als sie. Er mußte die Erde inzwischen erreicht und sie mit seinem tödlichen Atem vergiftet haben.
Zwei Tränen lösten sich aus ihren Augenwinkeln. Umsonst. Alles umsonst. Sie blickte auf Curn hinab. Vielleicht hatte er sich auch einige innere Verletzungen zugezogen. Sie legte ihm beide Hände an die Schläfen und tastete mit ihren Mentalarmen zu dem Ozean aus Kraft in ihrem Innern.
Die Kalte Starre war ferner Frosthauch. Die Behandlung durch den Phönixjünger war erfolgreich gewesen. Sie wußte natürlich, daß die Starre sich in den nächsten Stunden wieder ausbreiten würde, aber bis dahin …
Sie lenkte ihre Kraft in das Innere Curn Sheshonas. Seine Wunden schlossen sich, neues Blut bildete sich und trug heilende Kraft in alle Körperregionen.
Curn stöhnte und schlug die Augen auf. »Was …« Er blickte sich um. »Beim Himmelbaum meines Clans! Was ist geschehen …?«
Sie zögerte. »Das, was ich befürchtet habe«, sagte sie dann. »Der Grüne Phönix war schneller als ich. Er hat die Variökologie verseucht. Und dies alles ist nur der Anfang …«
Ihre Wangen waren feucht von ihren Tränen. Sheshona richtete sich auf. Stille um sie herum. Er schüttelte den Kopf, trat an eine Dornlose Rose heran und berührte eine bestimmte Knospe dicht unterhalb des geschlossenen Blütenkelchs. Nichts geschah. Keine Reaktion. Nur das Silbernetz bewegte sich und tastete sich näher zu ihnen heran.
»Das ist nicht wahr !« Er ballte die Fäuste, Merina deutete auf das wallende, nebelartige
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