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Die Terranauten TB 04 - Zeitfenster

Die Terranauten TB 04 - Zeitfenster

Titel: Die Terranauten TB 04 - Zeitfenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Quint
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rief, hatte Angst. Keiner bildete eine Ausnahme; vielleicht Ricarda. Man konnte nur spekulieren, was im Kopf der selbstbewußten Direktorin vor sich ging.
    Warum will Daun mich sprechen? fragte sich Gral nervös und suchte in der Schreibtischschublade nach der Schachtel mit den Amphetamin-Tabletten. Hat man Zamuel etwa gefunden – tot in Transkom-12, ermordet von einem Killer, der zu einem Idioten geworden ist – und will man seinen Tod vertuschen? Oder weiß Daun von meiner Verabredung mit dem SD-Direktor und von meinem Aufenthalt in der Transkommunikationszentrale?
    Grals Herz klopfte heftig in seiner Brust.
    Hastig schluckte er zwei Upper, teilte über Intercom seinem Vorzimmer mit, daß er vorübergehend nicht zu erreichen war, und öffnete dann die Geheimtür hinter dem Schreibtisch, die direkt in die Kabine des Privatliftes mündete.
    Ein Privileg, das alle Führungskräfte Eurochems genossen.
    Gral schob den Kodegeber in die Anschlußbuchse und wählte mit einem chiffrierten Impuls das offiziell nicht existierende Geschoß zwischen der fünfzehnten und sechzehnten Kelleretage.
    Dort lag die Stahlkammer.
    Herz und Gehirn der Züricher Eurochem-Zentrale.
    Dauns Domizil, das er seit fast acht Jahren nicht mehr verlassen hatte.
    Gral fröstelte unwillkürlich, während die Liftkabine nach unten fiel. Wie kann ein Mensch das nur ertragen? fragte er sich. Wie kann man es nur ertragen, acht Jahre lang lebendig begraben zu sein?
    Vielleicht kannte nicht einmal Daun die Antwort darauf.
     
    *
     
    »Sprechen Sie nur, wenn Sie dazu aufgefordert werden«, sagte Anatol Jarreux. »Der Chef kann keine Aufregung vertragen. Er braucht Ruhe, Gral. Ruhe, verstehen Sie?«
    Gral empfand die Feindseligkeit des Beraters fast wie einen körperlichen Schmerz.
    »Natürlich«, murmelte Gral.
    Es ist wie in der Tiefe, dachte er unbehaglich. Wie im Kunststofflabyrinth von Transkom-12.
    Der Gang, in dem er sich befand, war klinisch hell, kahl und weiß. Die Wand am Ende des Korridors bestand aus funkelndem, massivem Metall. Eine Speziallegierung, hinter der sich – Gerüchten zufolge – eine Neutronenglocke verbergen sollte.
    Wahrscheinlich konnte die Stahlkammer sogar einen nuklearen Direkttreffer überstehen, ohne daß der Greis in ihrem Innern Schaden nahm.
    Gral bemühte sich, die Söldner zu ignorieren, die ihn mit einer diskusförmigen Sonde abtasteten und aufmerksam die Anzeigen des tragbaren Terminals beobachteten. Das Terminal war an den Sicherheitscomputer angeschlossen, in dem alle individualtypischen Daten der Eurochem-Mitarbeiter gespeichert waren.
    Die Laser der Söldner, stellte Gral fest, waren entsichert.
    Die matt glosenden Fokuskristalle deuteten direkt auf sein Herz.
    »Er ist Vizedirektor Gral«, erklärte einer der Söldner, der Gral an Terjung erinnerte; auch dieser Mann war groß und kräftig, und seine Augen waren hart wie Glas. Keine Gemütsregung verriet sich in seinem steinernen Gesichtsausdruck. »Er ist sauber.«
    Gral lächelte schief.
    Er warf Jarreux einen forschenden Seitenblick zu. Ihn verwirrte die Feindseligkeit des Beraters, der Daun schon seit Menschengedenken diente. Jarreux, so wußte Gral, war mehr als ein Berater. Er war Dauns Freund – sofern der Generaldirektor überhaupt Freunde besaß oder den Begriff Freundschaft kannte.
    »Es war nicht meine Idee«, erklärte Jarreux grimmig. »Ich habe dagegen protestiert, aber Viktor wollte nicht auf mich hören. Er wollte Sie unter allen Umständen sprechen, Gral, und Gnade Ihnen Gott, wenn irgend etwas passiert.«
    Gral schwieg.
    Plötzlich haßte er Jarreux. Er haßte ihn für die Feindseligkeit, die er ihm entgegenbrachte, und für die hündische Ergebenheit, mit der er an Daun hing.
    Jarreux führt kein eigenes Leben, erkannte Gral. Er führt das Leben eines Schattens. Er ist Dauns zweites Ich, und er ist es immer gewesen. Nun ist er alt und verbraucht und blickt auf die verflossenen Jahre zurück, und vielleicht erkennt er, daß er sein Leben fortgeworfen hat. Vielleicht erklärt dies seine Feindseligkeit. Oder ist es tatsächlich nur die Sorge um Daun?
    Auf einen Wink Jarreux’ hin zogen sich die Söldner in einen Seitengang zurück. Der Berater bedeutete Gral, ihm zu folgen. Vor der polierten Metallwand blieben die beiden Männer stehen.
    »Zwei Meter Stahl«, sagte Jarreux unmotiviert. Stolz schwang in seiner Stimme mit. »Spezialstahl. Eine Legierung, die Sie sonst nie auf der Welt finden. Jedes Kilogramm ist teurer als Platin oder Uran.

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