Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur
einen Mann wie mich, der die Grauen besser kennt als sie sich selbst. Deshalb haben Sie für meine Verbannung auf Mirrson gesorgt.«
Der Treiber zuckte die Schultern.
»Und wenn es so wäre?« entgegnete er. »Würde das etwas ändern, Lence Zatyr?«
Düster starrte ich das Grau der energetischen Plattformkuppel an. Ich schüttelte den Kopf. Nein, sagte ich mir, es ändert nichts. Nicht das geringste. Die Entscheidung ist getroffen und ich bin hier, jenseits der Grenzen des alten Sternenreiches, in der Hand der Terranauten. Ich habe Dinge getan, die ich nie hätte tun dürfen, Dinge, für die sie das moralische Recht hätten, mich zu bestrafen.
»In Ordnung«, sagte Farrell. »Also springen wir.«
Er stieß sich ab, verließ das kaum merkbare Schwerefeld des Organseglers und tauchte in die graue Energieblase ein. Resigniert folgte ich ihm. Die rissige, braune Rückenschale des rochenförmigen Organseglers sackte unter mir hinweg. Einige Sekunden lang schwebte ich im Nichts, unter dem Himmel aus versteinerten Baumkronen und golden schimmernden Blüten, und dann durchstieß ich die immaterielle Kuppel dicht oberhalb der Bodenplatte.
Ich spürte nichts, obwohl ich ein Brennen, ein Prickeln, irgendein körperlich fühlbares Phänomen erwartet hatte. Es wurde nur hell. Übergangslos stand ich im Sonnenlicht, und ich hatte festen Boden unter den Füßen, Gras, fruchtbare Erde, und einige Meter weiter rechts sah ich Farrell und direkt vor mir … Mandorla.
Ich wußte sofort, daß die Frau vor meinen Augen Mandorla war; einstmals Queen der Grauen Garden, von der Cosmoralität dem Kaiser-Konzern und Max von Valdec zur besonderen Verwendung unterstellt. Vertraute des Lordoberst … und auf Zoe zu den Terranauten desertiert.
Sie hatte sich verändert in all den Jahren, die seitdem vergangen waren, aber nicht zu sehr, um jede Erinnerung an ihr früheres Selbst zu verwischen.
Sie war schlank und so groß wie ich. Ihr Haar war schlohweiß und kurzgeschnitten, und es bildete einen seltsamen Gegensatz zu dem tiefen Braun ihrer Haut. Die Bräunung milderte die Falten in den Mundwinkeln und an der Stirn. Ihre Augen waren so kühl wie in meiner Erinnerung.
Es waren ihre Augen gewesen, die mich damals, Ende des Jahres 2498, sofort fasziniert hatten. Kalte, wache Augen, die nichts versprachen, die nichts verlangten, nur beobachteten.
Ich glaube, wir sind uns zum erstenmal in Lunaport begegnet, bei einer der turnusmäßigen Konferenzen der Cosmoralität. Evita Jaschini, die Kommandeuse der grauen Mondstation, war ebenfalls zugegen gewesen, und obwohl Mandorla gegen Jaschinis üppige, venushafte Schönheit blaß wirkte, hatte sie allein mich interessiert.
Vielleicht, weil sie die einzige Graue war, die sich trotz des Insektencharakters ihrer zerschnittenen Seele noch einen Hauch Menschlichkeit bewahrt hatte. Belauerten die anderen Queens und Gardisten ihre Umwelt, so beobachtete Mandorla. Bestanden die anderen aus purem Eis, so bestand sie aus Schnee, ebenso kalt, aber weniger hart.
Zumindest glaubte ich das.
Zumindest redete ich mir das ein.
Erde, ferne Erde, ich hätte mich nicht mehr irren können!
Mandorla … Ich träume von dir, Mandorla, wenn ich zu erschöpft bin, um meinen Bericht weiter in den auditiven Speicherkristall zu sprechen und wenn das Knistern des Kältefraßes ein wenig nachläßt, gerade so viel, daß ich einschlafen kann. Ich träume davon, deine Haut zu streicheln und meine Hände um deinen zarten Hals zu legen und zuzudrücken … Aber selbst im Traum weigern sich meine Hände, meinem Willen zu folgen, und sie rühren sich nicht.
Es ist seltsam, daß diese Hände, die soviel Unrecht getan haben, nicht auch einmal etwas Rechtes tun wollen. Oder sie sind klüger als ich.
Nach allem, was geschehen ist, scheint nicht viel dazu zu gehören, klüger als ich zu sein.
Ich entsinne mich noch genau Mandorlas erster Worte bei unserem Zusammentreffen an diesem sonderbaren Ort mitten im Herzen des versteinerten Waldes.
Ich hätte keine anderen Worte von ihr erwartet.
»Sie sind Horaz Gallygool«, sagte Mandorla, während ich den magnetischen Kragenverschluß öffnete und den Helm zurückklappte. »Sie sind der Spezialist. Sie werden das Problem lösen.«
Es war keine Bitte, nicht einmal eine Feststellung, sondern ein Befehl. Mandorla war desertiert, zur Verräterin an den Grauen Garden geworden, so wie Cosmoral Evita Jaschini und eine Graue Treiberin namens Mater Pernath Desertion und Verrat
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