Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur
deren Leben so heiß und hell und kurz war wie die Lebenszeit einer Supernova.
Während wir uns an Bord des uralten Treiber-Frachters der Raum-Zeit-Pforte neben dem Pulsar näherten, verbrannte Codette mit ungestümer Hast ihre Jahre im Feuer des Weltraum II, und es gab niemanden, der diesen Brand löschen konnte.
Treiber altem rascher als Menschen wie ich. Die PSI-Kräfte, die sie beherrschen, stammen nicht aus ihnen selbst. Sie müssen diese Kräfte im Tausch gegen ihre Lebensenergie aus dem Weltraum II holen. Ich bin kein PSI-Experte. Ich weiß nicht, warum bei einigen Treibern der Alterungsprozeß schneller voranschreitet als bei anderen. Es kann nicht an der Stärke der PSI-Fähigkeiten liegen. David terGorden, einer der bereits jetzt schon legendären Anführer der Terranauten-Bewegung, verfügt über hochentwickelte PSI-Fähigkeiten und ist dennoch nicht vom Ausbrennen bedroht. Llewellyn 709, den die PSI-Experimente auf Sarym in einen Supertreiber verwandelt haben, muß seinen Körper hinter einem Geflecht aus thingsteinbeschichteten Riemen verstecken. Jede einzelne Zelle seines Organismus emittiert PSI-Energie von tödlicher Stärke, und nur die antipsionische Eigenschaft des Thingsteins verhindert, daß Llewellyn zu einer Gefahr für seine Umwelt wird. Aber er lebt und wird wahrscheinlich steinalt werden.
Ich glaube manchmal, daß es am Weltraum II liegt und daß die Treiber, ohne es zu ahnen, einen faustischen Pakt eingegangen sind. Niemand von ihnen bekommt vom Weltraum II etwas geschenkt, aber einige müssen einen höheren Preis zahlen, weil sie zu gutherzig sind. Wer dem Weltraum II mit zuviel Vertrauen begegnet, spielt mit seinem Leben.
Ich kenne mich aus. Ich bin dem Weltraum II begegnet, und es hätte mich fast das Leben gekostet. Er kam zu mir, ohne daß die Maske des fotosensitiven Barbiturats sein entstelltes Gesicht verhüllte, und ich habe ihn so gesehen, wie Codette ihn nie gesehen hat. Ich selbst habe mich lange Jahre hinter einer Maske versteckt. Ich weiß, daß es derartige Dinge gibt und daß man vor ihnen auf der Hut sein muß. Codette hat es nie gewußt. Deshalb lebe ich und sie ist tot.
Sie brannte aus, und als sie es bemerkte, ging sie an Bord der SIMON BOLIVAR und flog zusammen mit anderen Narren nach Ardas Welt, und der Weltraum II fraß sie, während er mich verschonte.
IV
Die SIMON BOLIVAR mußte irgendwann Anfang des 25. Jahrhunderts vom Stapel gelaufen sein. Die Hülle ihrer Bugkuppel war zerschrammt und narbig, runzlig wie die Schale eines Apfels, der zu lange in der Sonne gelegen hat, und in den schmutzigen Gängen und Lagerräumen erwartete man, bei jedem Schritt auf die Gespenster der vielen Treiber-Logen zu treffen, die den Frachter über hundert Jahre lang durch den Weltraum gesteuert hatten.
Das altersschwache Ionenstrahltriebwerk besaß kaum genug Schubkraft, um diese rostige Schabracke eines Schiffes zu manövrieren, und mehr als einmal mußte Jhimer, der Maschinist, über den Dorn zum Antriebsteil im Heck eilen und das verdammte Ding wieder zusammenflicken.
Irgendein Zyniker hatte über der Hauptschleuse eine Inschrift angebracht; ihre Fluoreszenzbuchstaben waren schon verblaßt, aber noch deutlich genug zu erkennen, um mit ein wenig Mühe entziffert zu werden. Laßt alle Hoffnungen fahren. Logenmeister Cram hatte diesen Ratschlag beherzigt. Er hatte seine Hoffnungen abgelegt, wie eine Last, die zu schwer wurde, um sie weiterzutragen, und er betrachtete uns andere, die wir uns noch immer in der Tretmühle namens Leben abstrampelten, mit verächtlichem Spott.
Cram kam zu mir, nachdem mich Mandorla in meine Kabine gebracht hatte; in einen kleinen, kahlen Raum unterhalb der Logenplattform und des Computerrings. Die SIMON BOLIVAR löste sich währenddessen mit quälender Langsamkeit von der Basis und nahm Kurs auf die Schneise im versteinerten Wald. Bis zum ersten Transit würden noch einige Stunden vergehen, und Cram nutzte die Zeit, um mich in die weiteren Einzelheiten des Planes einzuweihen.
Cram war ein untersetzter, mürrisch dreinblickender Mann mit einem grauen Vollbart und spiegelblanker Glatze. Ein Netzwerk aus feinen Falten überzog sein kupfernes Gesicht. Er betrat die Kabine, wie ein Dompteur einen Raubtierkäfig betritt – entschlossen, kraftvoll, keine Sekunde die gefährliche Bestie aus den Augen lassend.
Wo ist deine Peitsche, Dompteur? dachte ich. Wo ist dein Stuhl? Wo der brennende Ring, durch den du mich treiben wirst?
»Ich weiß, was Sie
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