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Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern

Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern

Titel: Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weiler
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Farrell glaubte, nur die Hände ausstrecken zu müssen, um sie zu berühren. Und seine mentalen Schreie waren wie leuchtende Hinweisschilder, die ihnen den Weg wiesen.
    David kämpfte um sein Leben.

12
Entseuchung
    Der Winter war schneller in die Regionen des Sommers vorgestoßen, als viele der Fahrgäste geglaubt hatten. Jenseits der schmutzigen und trüben Fenster der Waggons glänzten im Lichte der Sterne weite Flächen aus Eis, und Bäume litten stumm unter schweren Schneelasten. Einige Male hielt der Zug sogar an, und dann beeilten sich Bedienstete der Exekutoren, die Geleise freizumachen.
    Im Innern der Abteile war es fast dunkel. Nur hier und dort glühte der Schein einiger Öllampen, und gelegentlich war sogar das Glimmen einer der seltenen elektrischen Kerzen zu sehen. Myriam hatte es sich so bequem wie möglich gemacht und döste. Dann und wann schlief sie ganz ein, aber nur um kurz darauf wieder hochzuschrecken, auf der Flucht vor den Bildern, die aus ihrem Gedächtnis emporstiegen. Immer wieder sah sie die neun toten Lenker in der Biostation im All, die Zerstörungen, die Darstellungen auf den noch funktionstüchtigen Bildschirmen, den lichtlosen Schlund der Singularität. Immer wieder hörte sie das Kreischen und Singen der Außenhülle des Ringes, als das manövrierunfähige Kleinraumschiff tiefer eindrang in die Atmosphäre Schwarzkinds.
    David neben ihr zitterte manchmal, und Myriam beobachtete ihn besorgt. Sein Gesicht wirkte noch eingefallener und hohlwangiger als zuvor. Er litt eine Qual, die sie nicht nachzuvollziehen vermochte. Er kämpfte gegen das falsche Spektrum, gegen einen Faktor, der die anderen Erben der Macht in ihm seiner Kontrolle zu entziehen versuchte. Es war ein stummer, lautloser Kampf, aber manchmal spiegelten sich Szenen davon in den Augen Davids wider. Sie fühlte mit ihm, aber immer, wenn sie versuchte, ihrem Mitgefühl ihm gegenüber Ausdruck zu verleihen, fehlten ihr die richtigen Worte. Sie war nicht einmal dazu in der Lage, ihm Mut zu machen.
    Die meisten Fahrgäste schliefen. Einige wenige beobachteten den draußen vorbeiziehenden Schnee und befürchteten offenbar, es könne jederzeit eine Horde Winterkinder auftauchen und den Zug angreifen. Bisher aber war nichts dergleichen geschehen. Die Lokomotive schnaufte und keuchte Steigungen empor, zog die Waggons durch Täler, vorbei an steilen und eisverkrusteten Graten und atmete sich schnaubend durch die Nacht. Ab und zu trat Myriam kurz auf den Korridor, der an den Abteilen vorbeiführte. Auch dort war die Luft nicht besser. Die Fenster ließen sich nicht öffnen, und die meisten Belüftungsluken klemmten oder waren aus irgendeinem unerfindlichen Grund verriegelt. Der Atem Hunderter und Tausender Fahrgäste kondensierte auf den Scheiben, und wenn man mit dem Finger über die feuchte Patina fuhr, entstanden sonderbare Muster.
    Myriam musterte die Menschen auf den anderen Plätzen. Sie suchte nach einem Gesicht, das sich ihr fest ins Gedächtnis eingeprägt hatte, ein schmales Gesicht mit hervortretenden Jochbeinen und stahlgrauen Augen, deren Blick so kalt war wie das Eis der entlegensten Gletscher.
    Der Liktor war nicht im Zug.
    Und das bedeutete, daß sich die Entfernung mit jeder verstreichenden Sekunde weiter vergrößerte, daß ihr Verfolger zurückfiel und David zunächst einmal in Sicherheit war.
    In Sicherheit …
    Niemand hatte auf den Warnruf Gaschvens reagiert. Vielleicht waren die Fahrgäste der Meinung gewesen, es mit einem Berauschten oder Verrückten zu tun zu haben, mit jemandem, der nicht wußte, was seine eigenen Lippen formulierten. Zwar hatten die uniformierten Bediensteten der Exekutoren kurz nach der Abfahrt noch einmal eine Kontrolle durchgeführt, aber sie hatten David und Myriam nicht als das identifizieren können, was sie waren. Sie dachte daran, was möglicherweise geschehen wäre, wenn sich der Zug zu jenem Zeitpunkt nicht schon in Bewegung befunden hätte. Sie schauderte.
    David …
    Er kann nicht mehr lange warten, dachte Myriam niedergeschlagen. Er muß den weißen Stern bilden. Und wenn er recht hatte, wenn dies hier nicht der richtige Ort ist … dann war alles vergeblich. Dann kann er die Katastrophe nicht mehr abwenden.
    Als Myriam von einem ihrer Ausflüge zurückkehrte, fiel ihr in ihrem eigenen Abteil eine junge Frau auf. Sie hockte auf einem Ecksitz, und ihr Gesicht war halb hinter einem bestickten Vorhang verborgen, mit dem man die zum Gang hin gelegenen Fenster abdunkeln konnte. In

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