Die Terroristen
Gesicht. »Es gibt Dinge, die ich einfach nicht begreife. Wie kann man bei dem umfassenden Angebot der Medien heutzutage vermeiden, sich die einfachsten Kenntnisse über die Gesellschaft anzueignen?«
»Ihre Gesellschaft ist nicht meine.«
»Das ist falsch, Rebecka. Wir leben alle zusammen in diesem Land, und wir sind gemeinsam dafür verantwortlich, ob es gut oder schlecht geht. Aber ich will fragen, wie man daran vorbeigehen kann, was im Radio oder Fernsehen gesagt wird, oder völlig übersehen kann, was in den Zeitungen geschrieben wird?«
»Ich habe weder Radio noch Fernsehen, und das einzige, das ich in der Zeitung lese, ist das Horoskop.«
»Aber Sie sind doch trotz alledem neun Jahre zur Schule gegangen, nicht wahr?«
»Da haben sie nur versucht, uns eine Menge Unsinn beizubringen. Ich habe nicht zugehört.«
»Aber das Geld. Geld ist doch etwas, das uns alle interessiert.«
»Mich nicht.«
»Wo haben Sie das Geld für Ihren Lebensunterhalt herbekommen?«
»Vom Sozialamt. Aber ich brauchte sehr wenig. Bis jetzt.«
Der Richter fasste nun eintönig die Untersuchung zur Person zusammen, die nicht ganz so uninteressant war, wie Advokat Braxen vorausgesehen hatte.
Rebecka Lind war am 3.1.1956 geboren worden und in einer Familie der unteren Mittelklasse aufgewachsen. Die Verhältnisse im Elternhaus waren geordnet gewesen, aber Rebecka hatte sich frühzeitig gegen ihre Eltern aufgelehnt, und diese Auflehnung hatte ihren Höhepunkt erreicht, als sie 16 Jahre alt gewesen war. Sie war auffallend uninteressiert an der Schule gewesen und hatte sie nach der 9. Klasse verlassen. Ihre Lehrer bezeichneten ihre Leistungen als erschreckend schlecht, es mangelte ihr nicht an Intelligenz, doch die führte sie zu einer eigentümlichen und wirklichkeitsfremden Einstellung. Eine Arbeitsstelle hatte sie nicht bekommen können und war daran auch nicht interessiert gewesen. Als sie 16 Jahre alt war, hatte es zu Hause zunehmend Reibereien gegeben, und sie war schließlich ausgezogen. Der Vater hatte auf die Frage des Ermittlungsbeamten gesagt, dass es so für alle Teile das Beste gewesen sei, da die Eltern noch andere Kinder gehabt hatten, die ihren Hoffnungen und Erwartungen besser entgegenkamen. Sie hatte zuerst in einem Schrebergartenhäuschen gewohnt, das ein Bekannter ihr mehr oder weniger auf Dauer zur Verfügung gestellt hatte und das sie auch behalten hatte, nachdem sie eine unmoderne Einzimmerwohnung in Söder in Stockholm gefunden hatte. Zu Beginn des Jahres 1973 hatte sie einen amerikanischen Deserteur der NATO-Armee getroffen und ihn bei sich aufgenommen. Sein Name war Jim Cosgrave. Rebecka Lind war bald danach schwanger geworden, sie hatte sich bewusst ein Kind gewünscht, und im Januar 1974 wurde sie von einem Mädchen entbunden, Camilla. Von der Zeit an begann die kleine Familie Not zu leiden. Cosgrave wollte arbeiten, konnte aber keinen Arbeitsplatz finden, weil er Ausländer war und lange Haare trug. Die einzige Stelle, die er während seines Jahres in Schweden angeboten bekam, war die eines Tellerwäschers auf einer der Schnapsfähren nach Finnland, und die auch nur für die Dauer von zwei Wochen. Außerdem sehnte er sich zurück in die USA. Er hatte eine gute Berufsausbildung genossen und glaubte, für sich und seine Familie sorgen zu können, wenn er erst wieder zu Hause wäre. Anfang Februar nahm er deshalb Kontakt mit der Botschaft auf und erklärte sich bereit, freiwillig zurückzukehren, wenn er bestimmte Garantien bekäme. Man war an seiner Rückkehr interessiert und versprach, dass er nur eine formelle Strafe erhalten würde. Außerdem wurde er darauf hingewiesen, dass er durch das Abkommen zwischen Schweden und den USA geschützt war. So flog er am 12. Februar in die Staaten. Rebecka hatte damit gerechnet, dass sie im März nachkommen könnte, da die Eltern ihres Freundes versprochen hatten, den jungen Leuten mit Geld auszuhelfen. Aber die Monate vergingen, und Cosgrave ließ nichts von sich hören. Sie ging zum Sozialbüro und erhielt die Auskunft, dass man nichts für sie tun könne, da Cosgrave ausländischer Staatsbürger sei. Daraufhin beschloss Rebecka Lind, auf eigene Faust in die USA zu reisen, um festzustellen, was geschehen war. Um sich Geld zu beschaffen, hatte sie sich an eine Bank gewandt, mit dem bekannten Resultat. Die Untersuchung zur Person war im Großen und Ganzen positiv. Es wurde darauf hingewiesen, dass Rebecka ihr Kind mit großer Umsicht versorgt hatte, dass sie nie einem
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