Die Terroristen
Wenn Olsson in der ersten Instanz verliert, geht er nicht in die zweite.«
»Warum nicht?«, fragte Rhea.
»Weil er damit sein Image als der Mann, der so beschäftigt ist, dass er zu nichts anderem mehr Zeit hat, verlieren würde. Wenn alle Staatsanwälte so wie Bulldozer wären, würde bald die halbe Bevölkerung des Landes im Gefängnis sitzen.« Rhea schnitt eine Grimasse.
»Vielen Dank jedenfalls«, schloss Braket und hinkte von dannen.
An der Eingangstür des Rathauses blieb er stehen und steckte sich seine Zigarre an. Da er gleichzeitig einen kolossalen Rülpser von sich gab, verließ er das Gebäude schließlich umgeben von einer ansehnlichen Rauchwolke.
Martin Beck blickte ihm sinnend nach. Dann fragte er:
»Wo willst du jetzt hin?«
»Nach Hause.«
»Zu mir oder zu dir nach Hause?«
»Zu dir. Es ist schon lange her.«
Lange her war genau gerechnet vier Tage.
4
M artin Beck wohnte in Köpmangatan in der Altstadt, also so nahe beim Zentrum von Stockholm, wie man es sich überhaupt nur vorstellen konnte. Das Haus war in gutem Zustand, es hatte sogar einen Fahrstuhl, und jeder, mit Ausnahme einiger unverbesserlicher Snobs mit Villen und Parks mit Swimmingpool in Saltsjöbaden oder Djursholm, hätte ihn heftig um diese Wohnung beneidet. Er hatte Glück gehabt und vielleicht mehr als das, als er diese Wohnung bekam, und das Erstaunlichste daran war, dass er sie sich nicht hintenherum durch Beziehungen oder Bestechungen besorgt hatte, wie Polizisten sich sonst Vorteile und Vergünstigungen zu beschaffen pflegen. Das wiederum hatte dazu geführt, dass er die Kraft fand, den Schlussstrich unter eine achtzehnjährige Ehe zu ziehen, bei der so gut wie alles missglückt war.
Doch dann hatte er wieder Pech gehabt, war von einem Verrückten auf einem Dach angeschossen worden, und ein Jahr später, als er endlich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war er wirklich aus der Kälte gekommen. Es sah so aus, als müsse er den Rest seiner Berufsjahre im eleganten Sessel eines Chefbüros mit Langhaarteppichboden und handgemalten Originalen etablierter Künstler an den Wänden zubringen, eine Aussicht, die ihn schaudern machte.
Jetzt jedoch war das Risiko minimal. Die hohen Herren in Rikspolisstyrelsen schienen davon überzeugt, dass er, wenn überhaupt noch zurechnungsfähig, so jedenfalls kein Mann war, mit dem man zusammenarbeiten konnte.
Martin Beck war also Chef von Riksmordkommissionen und würde auf diesem Posten bleiben, bis diese veraltete, allerdings offensichtlich gut funktionierende Organisation aufgelöst wurde.
Es war sogar schon gemunkelt worden, dass die Kommission einen zu hohen Aufklärungsprozentsatz hätte. Das würde dann daran liegen, dass sie personell gut bestückt war und vergleichsweise wenige Fälle zu bearbeiten hatte. Was wiederum bedeutete, dass sie zu tüchtige Leute und zu viel Zeit für jede einzelne Ermittlung hatte.
Hinzu kam, dass es wie gesagt weiter oben Herren gab, die Martin Beck persönlich nicht mochten. Einer davon hatte sogar durchblicken lassen, dass es Martin Beck mit verschiedenen undurchsichtigen Methoden geschafft habe, Lennart Kollberg, der einer der tüchtigsten Polizisten des Landes gewesen war, zu veranlassen, den Dienst zu quittieren und im Armeemuseum als Halbtagskraft Revolver zu sortieren, wodurch seine arme Frau gezwungen war, für den Lebensunterhalt der Familie aufzukommen.
Es geschah selten, dass Martin Beck richtig wütend wurde, aber als ihm dieses Gerücht zu Ohren kam, wäre er um ein Haar hinaufgegangen und hätte den Betreffenden geohrfeigt.
Es verhielt sich nämlich so, dass alle von Kollbergs Ausscheiden profitierten, dieser selbst, indem er einen Job aufgab, der ihn anwiderte, und nun häufiger bei seiner Familie sein konnte, bei seiner Frau und seinen Kindern, die ihn gern bei sich zu Hause haben wollten. Außerdem Benny Skacke, der Kollbergs Planstelle erhalten hatte und somit hoffen konnte, weitere Pluspunkte zu sammeln und seinem großen Lebensziel, nämlich Polis-Chef zu werden, ein Stück näher zu kommen. Und -last but not least - gewisse Leute in der Reichspolizeileitung, die, obwohl sie nicht abstreiten konnten, dass Kollberg ein tüchtiger Polizeibeamter war, niemals ihre Meinung ändern würden, derzufolge er schwierig im Umgang gewesen sei und Scherereien zu machen pflegte.
Wenn man es recht besah, wurde Kollberg draußen in Västberga, wo Riksmordkommissionen ihre zumeist ereignislosen Tage verbrachte, tatsächlich nur von einem
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