Die Teufelshure
Befehlen folgte, machte ihr höllische Angst.
Was wäre, wenn John recht behielt und ihre Familie eine Verbindung zu jenen Monstern hatte, die für all das hier verantwortlich waren? Ihre Gedanken kreisten um ihren Bruder und die furchtbaren Wahrheiten, die sie in Norwegen erfahren hatte – und natürlich auch um John. Das Gefühl, einen Mörder zu lieben, jemanden, der seinen Feinden die Köpfe abschlug oder ihnen das Blut aus den Adern saugte, verstörte sie genauso sehr wie der Verdacht, dass ihre Familie mit dieser unfassbaren Sache zu tun hatte. Mittlerweile war es kaum noch von der Hand zu weisen, dass ihr Bruder ebenfalls zu einer Bande von Killern gehörte. Ihre größte Sorge galt jetzt ihrem Vater. Nicht zu wissen, ob er von all dem etwas wusste, ja sogar mit der Sache zu tun hatte, machte sie krank. Dass John weder Rücksicht auf sie noch auf ihre Familie nehmen konnte, indem er stur seinen Auftrag verfolgte, war wohl zu erwarten. Aber wen sollte sie um Hilfe bitten, wenn sich herausstellte, dass ihr Vater so wenig von all dem wusste, wie sie selbst gewusst hatte?
Wortlos stiegen sie in Glasgow in einen Helikopter, der sie zurück nach Mugan Manor brachte.
»Was habt ihr mit uns vor?«, keifte Dough, als man ihn erneut auf seinen Sitz zwang. »Wollt ihr uns auch in einen Keller sperren und an uns herumexperimentieren?«
John war die Anspannung anzusehen. Wahrscheinlich war das genau die falsche Frage gewesen. »Das wirst du noch früh genug erfahren«, sagte er kühl und setzte sich neben den Piloten. Auch Bran war wieder mit von der Partie. Nur Ruaraidh fehlte, und Lilian wagte nicht, nach ihm zu fragen.
Als der Helikopter abgehoben hatte, spürte Lilian Brans große Hand auf der ihren. Sie war warm und trocken. Sanft drückte er zu. Lilian glaubte ein zuversichtliches Lächeln auf seinen Lippen zu erkennen. Sie wich seinem prüfenden Blick aus und schaute zu Boden.
Auf dem Hangar in Mugan Manor wurden ihnen die Fesseln gelöst. Dough verlor nun endgültig die Nerven. Er brüllte John so heftig an, dass sein Gesicht rot anlief und ihm die Adern im Hals anschwollen. »Verdammt, ich will endlich wissen, wie es jetzt weitergeht, und dann will ich nach Hause zu meiner Frau. Wenn ich sie nicht spätestens alle zwei Tage anrufe, wird sie unruhig und meldet mich als vermisst.«
John blieb ganz ruhig. »Es tut mir leid«, sagte er förmlich. »Du wolltest alles ganz genau wissen, und das bedeutet: Ab sofort arbeitest du für mich – oder gegen mich. Das heißt auch, dass du kein normales Leben mehr führen kannst. Ob du es willst oder nicht, du bist zu einem Geheimnisträger geworden und somit gibt es keine Alternative.«
»Alternative?« Dough sah ihn fassungslos an. »Welche Alternative?«
»Keine«, antwortete John. »Das sagte ich doch.«
»Lasst uns Klartext reden«, rief Dough wütend. »Bedeutet das, ihr Arschlöcher werdet uns umbringen, wenn wir nicht mitspielen?«
John war stehengeblieben. Seine Miene schien wie versteinert. Dass er nichts sagte, war Lilian Antwort genug. Doughs Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Okay … Fangen wir noch mal von vorne an. Du hast also einen Job für mich. Und was bitte sollte das sein? Kann ich wieder als Nachtwächter anfangen, oder warte ich demnächst hier die Melkmaschinen?«
»Dough«, Lilians Stimme war eindringlich. »Halt endlich die Klappe! Du machst alles nur noch schlimmer.«
John warf ihr einen argwöhnischen Blick zu. Dann nahm er sie beiseite und führte sie ein Stück von den anderen zu einem Unterstand hin, damit er ungestört mit ihr reden konnte. »Du denkst also auch, dass ich ein Monster bin?«
»Ja, was sonst?«, blaffte Lilian zurück. »Und was noch schlimmer ist – ich werde auch eins, wenn ich mich nur lange genug in deiner Nähe aufhalte. Ich habe noch nie zuvor auf einen Menschen geschossen. Ich weiß beim besten Willen nicht, was in mich gefahren ist.« Sie sah ihn aufgebracht an, als ob er die Schuld daran trug, dass sie auf ihn geschossen hatte. »Dachtest du tatsächlich, ich könnte das alles so hinnehmen? Glaubst du, ein Trip nach Norwegen reicht aus, und ich werde freudestrahlend Mitglied in deiner Organisation?«
Er trat auf sie zu, und für einen Moment vermittelte er den Eindruck, als wollte er sie in die Arme nehmen. Aber er tat es nicht. Allein seine Augen verrieten, was er für sie empfand. »Ich hatte gehofft, das Band zwischen uns wäre stark genug, um die Wahrheit offenbaren zu können. Ich habe mir
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