Die Teufelshure
mich zu erinnern, auf welchem Weg man mich in den Kerker gebracht hat.« Seit gut einer halben Stunden irrten sie durch dieses Labyrinth und hatten dabei das Gefühl, im Kreis zu laufen.
Mit einem Nicken deutete Dough auf Jenna, die er auf dem Rücken trug und deren Kopf auf seiner Schulter ruhte. »Wenn es uns nicht bald gelingt, John zu finden oder irgendjemanden sonst, der uns helfen könnte«, bemerkte er mit besorgter Miene, »sieht die Sache nicht gut aus, wenn du verstehst, was ich meine.« Dough hatte in Gegenwart von Jenna nicht vom Sterben reden wollen, aber faktisch meinte er nichts anderes.
»Warte hier einen Moment«, bat Lilian und hielt Dough zurück. »Dann kann Jenna sich ein wenig ausruhen. Ich gehe ein Stück voran, um zu sehen, ob sich hinter der nächsten Ecke etwas verbirgt, das uns weiterbringt.«
Dough stöhnte genervt, trotzdem setzte er Jenna vorsichtig auf dem Boden ab, weil sie nur noch wimmerte. Jeder Knochen tat ihr weh, und ihre Muskeln erschlafften von Minute zu Minute mehr. Ihr Gesicht glich dem einer tausendjährigen Mumie. Lilian dachte an John, der sie mit seinem wagemutigen Kuss zunächst vor diesem Schicksal bewahrt hatte. Er hatte ihr vermutlich eine immens hohe Dosis Eternity verabreicht, deren Wirkung trotzdem nicht ewig anhalten würde. Über die langfristigen Konsequenzen der Droge wollte sie lieber erst gar nicht nachdenken. Es reichte vollkommen aus, dass sie sich für die Misere, die hier ablief, verantwortlich fühlte. Bei aller Schuld, die man ihrem Bruder, ihrem Vater oder den Panaceaern geben konnte – weder Jenna noch Dough und auch nicht sie selbst wären in diese vertrackten Lage geraten, wenn sie John geglaubt hätte oder erst gar nicht auf ihren Bruder hereingefallen wäre.
Frustriert spähte sie in den nächsten Gang. Der wahre Grund ihres Vorstoßes lag darin, dass sie glaubte ein Geräusch gehört zu haben, allerdings wollte sie Dough und Jenna nicht beunruhigen, bevor sie nicht wusste, um was oder wen es sich handelte. Ein Schock durchfuhr sie, als sich unerwartet eine Hand auf ihren Mund presste und sie ein Messer an ihrer Kehle spürte. »Wenn du schreist, töte ich dich!«, raunte eine melodiöse männliche Stimme. »Sag mir, wie ich zum Hauptquartier der Panaceaer komme!« Dann schien der Mann zu zögern. »Lilian?« Die Stimme klang nun weitaus harmloser und ziemlich ungläubig. Die Finger lösten sich von ihren Lippen, und auch der Dolch sank herunter.
»Wilbur?« Blinzelnd schaute Lilian nach oben. Das Einzige, was sie in der Dunkelheit sah, war eine schneeweiße Zahnreihe und ein Augenpaar, das sie ungläubig anstarrte.
»Da staunst du, was?«
»Wie kommst du hierher?«
»Bevor ich dir das verrate, muss ich erst wissen, ob du zu Cuninghames Truppe gehörst!«
»Waffe runter! Sonst schieß ich dir ins Herz!«, zischte es hinter ihr. Das war eindeutig Dough, der nun Wilbur bedrohte.
»Zur Hölle!« Langsam ließ Wilbur den Dolch sinken und drehte sich vorsichtig um.
Während Dough noch immer in seiner Drohgebärde verharrte, nahm Lilian ihn mit einer sanften Geste beiseite und erklärte ihm, dass sie von dem jungen Mann nichts zu befürchten hatten, weil er zu Johns Mannschaft gehörte. Widerwillig nahm Dough die Pistole herunter.
Lilian berichtete Wilbur in wenigen Worten, wie sie hierhergekommen waren. Wilbur atmete auf, als Lilian Johns Gegenwart in den unterirdischen Katakomben bestätigte. Stockend erzählte er seinen fassungslosen Zuhörern von ihrem missglückten Befreiungsversuch.
»Wie kommt es, dass
du
nicht gefangen wurdest?« Dough kniff die Lider zusammen und bedachte Wilbur mit einem misstrauischen Blick. »Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie dich einfach vergessen haben.«
»Ich konnte mich rechtzeitig verstecken, weil ich als Letzter ging.« Wilbur stieß trotz seines vermeintlichen Glücks einen Seufzer aus. »Wahrscheinlich bin ich für die Bruderschaft so bedeutungslos, dass noch nicht mal Paddy aufgefallen ist, dass ich fehle.«
»Das heißt also, wir sind die Einzigen, die das Ruder noch herumreißen können«, bemerkte Dough leise. »Auch wenn es verrückt klingt: Wenn wir John retten wollen, müssen wir den Arschlöchern folgen, um ihn zu finden. Sie werden alles daransetzen, ihn in einen Lakaien zu verwandeln.« Sein Blick haftete an Wilbur. »Ihr Jungs seid doch phantastische Spurenleser. Also zeig mal, was du drauf hast, auch wenn es dir nicht behagt, hinter dem Feind herzulaufen.«
»Ob du es glaubst oder
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