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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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notdürftig gegürtet, und Bart und Kopfhaar standen vor Schmutz. Außerdem hatte er ein schönes Veilchen, wie Rosie sein blau unterlaufenes Auge genannt hatte, und eine blutverkrustete Unterlippe, die ihn wie einen notorischen Faustkämpfer aussehen ließen.
    Der Advokat verlas seine Vita. Zum Schluss hob er den Kopf, und seine näselnde Stimme nahm einen scharfen Ton an.
    »Stimmt die Aussage, dass Ihr als Captain in der königstreuen Kavallerie des James Graham, 1. Marquess of Montrose gedient habt?«
    John blieb nichts anderes als zu nicken. Und wenn es bis jetzt Männer in diesem Saal gegeben hatte, die Verständnis dafür aufbringen konnten, dass er sich unerlaubt einer unverheirateten schönen Frau bemächtigt hatte, so verziehen sie ihm nicht, dass er unter dem Kommando eines erklärten Erzfeindes und dazu als katholischer Offizier in den Krieg gegen die Covenanters gezogen war. Der Mob kochte vor Wut, und John stellte sich, da Cuninghames Verbindungen so offensichtlich geworden waren, nicht mehr die Frage, woher das Gericht all diese Informationen besaß.
    Madlen hatte man auf einen Stuhl unterhab der Empore in Cuninghames Nähe gesetzt. Sie ließ den Kopf hängen, als ob er zu schwer wäre, und die Tatsache, dass Ruth ihr die Hand hielt, empfand John als einen schlechten Scherz. Die hasserfüllten Augen der Dienerin bohrten sich indes regelrecht in sein Gesicht.
    Der beisitzende Advokat erhob das Wort, indem er die Anklagepunkte mit näselnder Stimme von einem Blatt ablas. »John Cameron – oder sollte ich besser sagen: … Iain Mhic Dhonnchaidh Chloinn Camshrōn Loch Iol à Blàr mac Faoltaich, wie Euer voller gälischer Name lautet … Euer Vater ist ein Cousin des alten Cameron of Loch Iol. Somit habt Ihr Anspruch auf eine hochwohlgeborene Behandlung.«
    In Edinburgh hatte John bisher darauf verzichtet, Gälisch zu sprechen oder die gälische Form seines Namens zu verwenden, zum einen, weil es in der Stadt ohnehin nicht genug Menschen gab, die seine Sprache beherrschten, und zum anderen, weil er anonym bleiben wollte, um von den überwiegend protestantischen Covenanters nicht als ehemaliger Cavallier entlarvt zu werden. Zudem sollte niemand wissen, dass er bei Montrose aus Gewissensgründen seinen Dienst quittiert hatte und im Streit gegangen war.
    Ein aufgebrachtes Raunen ging durch den Saal. John beschlich eine Ahnung, was die ironisch gemeinte Andeutung des Beisitzers zu seiner höhergestellten Verwandtschaft in den Highlands zu bedeuten hatte. Falls man ihn zum Tode verurteilen würde – und darauf lief es hinaus –, hatte er Anspruch darauf, geköpft zu werden. Die Vorstellung, seinen Hals schon bald unter die schottische Jungfrau zu legen, das erste automatische Fallbeil Schottlands, das jüngst seinen Einzug in die schottische Justiz gehalten hatte, ließ John erschauern. Resigniert erwiderte er Paddys ängstlichen Blick.
    Bevor die Menge sich in eine hasserfüllte Rage hineinsteigern konnte, fuhr der Beisitzende fort. »Master Cameron, Ihr werdet beschuldigt, vom 27. auf den 28. Oktober 1647 in die Wohnung der Madlen MacDonald im Graystoneland, in der unteren Canongate, dritter Stock, eingedrungen zu sein, die junge Frau vergewaltigt und sie anschließend entführt zu haben, um von ihrem ehrbaren Vormund, Lord Chester Cuninghame of Berwick upon Tweed, eine nicht geringe Summe für ihre Freilassung zu erpressen, die Ihr nach Eurer Flucht ins Königreich Frankreich dazu verwenden wolltet, um von dort aus die irische Rebellenarmee zu unterstützen.« Der Mann stockte einen Moment und sah John fragend an. »Schuldig oder nicht schuldig? Wie lautet Eure Antwort?«
    Alle Augen richteten sich auf John.
    »Tötet das Schwein! Schlitzt ihn auf! Schneidet ihm unverzüglich die Eier ab!« Aus den Reihen der Zuschauer schlug ihm die reine Mordlust entgegen.
    Was sollte er sagen? Dass Madlen gelogen hatte? Auf Falschaussage stand der Tod durch Erhängen. Sein Blick wanderte über die Anwesenden in der ersten Reihe hinter den Angeklagten. Sie hatten sich zum großen Teil der Falschaussage schuldig gemacht. Und wenn es auch nur insoweit zutraf, dass sie andere bedauernswerte Kreaturen zur Falschaussage gezwungen hatten. Die Folgen wären dieselben gewesen. Allerdings – wo kein Kläger, da kein Richter. John blickte in die meist tumben Gesichter der sogenannten ehrenhaften Männer, denen angeblich nichts weiter am Herzen lag, als die Ruhe und Ordnung der Stadt und die Ehre einer bis dahin unbescholtenen

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