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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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unter ihm wankte, als man Mistress Madlen Eleonore MacDonald in einem scharlachroten Kleid zur Zeugenkanzel führte. Ihr Gang war so unsicher, dass sie von Cuninghames Lakaien gestützt werden musste. Lord Cuninghame selbst saß, ganz in Schwarz gekleidet mit weißem Kragen, in der ersten Reihe der Zuschauer und unterschied sich damit äußerlich nicht von den Advokaten und Parlamentsabgeordneten, die ihn umgaben. Wenn John nicht alles täuschte, hatte sich sogar der Lord Provost von Edinburgh, Sir Archibald Todd, unter den honorigen Beobachtern eingefunden.
    Madlen trug ihr Haar unter einer weißen Haube verborgen. Der Ausschnitt ihres Kleides war züchtig mit einem weißen Kragen bedeckt. Ihr Blick wirkte seltsam fern, der Auftritt vor all diesen geifernden Menschen berührte sie anscheinend nicht. John hoffte inbrünstig, dass sie ihn ansehen würde, doch auch das tat sie nicht. Stattdessen starrte sie stur geradeaus.
    »Es macht den Anschein, als ob man ihr ein Rauschmittel verabreicht hat«, flüsterte Paddy rasch von der Seite. Ihre Augen wirkten tatsächlich glasig, aber John wusste nicht, ob ihn diese Erkenntnis trösten sollte.
    Hier und da war ein Wispern zu vernehmen, als jemand meinte, die Arme habe wohl ihre Seele verloren, nach allem, was die Angeklagten ihr angetan hatten.
    John hätte am liebsten laut aufgeschrien oder ihr wenigstens zugerufen, dass das alles nur ein abgekartetes Spiel sein konnte, dabei wirkte Madlen so abwesend, dass es ihn ängstigte und ihm jeglicher Einspruch sinnlos erschien.
    »Er hat sie verhext«, flüsterte Paddy, »das kann sogar ein Blinder sehen.«
    »Ruhe da unten!«, rief der Richter und wies seine Schergen mit einem Nicken an, unter den Gefangenen für Ordnung zu sorgen. Paddy bekam einen Stock zwischen die Rippen, und John sah, wie er sich vor Schmerz auf die Lippen biss. Blitzschnell zog er den Kopf ein, als einer der Wachhabenden auch auf ihn einzuschlagen drohte.
    »Mistress MacDonald«, begann der Richter mit jovialem Tonfall, »schildern Sie uns bitte, was in jener Nacht von Sonntag auf Montag geschehen ist.«
    John wunderte sich, dass Madlen überhaupt zu sprechen begann. Und als sie es tat, wirkte sie auf ihn wie eine dieser mechanischen Puppen, die man jüngst in Japan erfunden hatte und die Hände und Gesicht bewegten, wenn man sie wie ein Uhrwerk aufzog.
    Mit verwaschener Stimme erzählte Madlen von Johns Aufwartung am letzten Sonntag, gerade so, als ob er sie überfallen hätte. Seltsam abwesend beschuldigte sie ihn, ihr die Jungfernschaft geraubt zu haben, dabei sei er roh und brutal zu Werke gegangen. Danach habe er sie und ihren Burschen aus ihrem Haus entführt, dafür gebe es mehrere Zeugen.
    John blieb vor Empörung der Mund offen stehen, als Ruth, Madlens Dienerin, den Zeugenstand betrat und erzählte, dass er sie gefesselt und geknebelt in der Speisekammer zurückgelassen habe, bevor er sich ihrer Herrin bemächtigt hatte. Dass die vorgeladenen Lakaien nichts anderes bezeugten, war zu erwarten. Sie sagten aus, sie hätten Ausgang gehabt und Ruth angeblich erst am späten Abend gefunden.
    Bei so viel Dreistigkeit konnte John nur den Kopf schütteln. Cuninghame hatte nicht nur sein Personal im Griff, sondern auch den gesamten Gerichtssaal, als die Menge sich brüllend und schreiend erhob und Johns Hinrichtung forderte. Danach wurden die Wachen von Leith in den Zeugenstand gerufen und bestätigten, dass man John und seine Kameraden dabei erwischt habe, wie sie Madlen und ihren Burschen gegen deren Willen in die Hafenfestung bringen wollten, um sie dort aller Wahrscheinlichkeit nach bei den Docks zu verstecken, bis sie das Lösegeld erhalten hatten. Cuninghames Privatarmee sei es zu verdanken gewesen, dass man die völlig verstörte Frau auf ihrer Flucht vor den Entführern schließlich aus dem eiskalten Leith Water geborgen habe.
    John wurde als Erster in den Angeklagtenstand gerufen, weil nicht alle Gefangenen gleichzeitig Platz hatten und ihm die schwersten Vergehen vorgeworfen wurden. Seine Hände waren immer noch aneinandergekettet, nur die Fußketten hatte man aufgeschlagen, bevor man ihn die wenigen Stufen hinauf auf das Holzpodest führte. Er hatte bisher keinen Spiegel zur Verfügung gehabt, aber wahrscheinlich sah er genau so aus, wie die Advokaten ihn haben wollten: ein großes wildes Tier mit einer langen rötlichen Mähne, direkt aus den Highlands, brutal, unbezwingbar und ohne Manieren. Sein Hemd war am Ärmel zerrissen, sein Plaid nur

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