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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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beschloß er dann, »aber nicht unkreativ. Was meinst du?«
    Notovich starrte noch immer auf das Papier.
    »Denkst du, daß es ein Scherz ist?« fragte Bröll.
    »Ein Scherz?« erwiderte Notovich ungläubig. »Fällt dir denn nichts auf?«
    »Nicht wirklich.«
    »Dieses Programm ist eine exakte Kopie meines Debüts in Paris.«
 
    Warum dieser Verweis auf seine Anfangszeit in Paris? Sollte er das als Ehrenbezeugung auffassen? Nein, je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde die Botschaft, die der Absender ihm hatte geben wollen: Wir haben dich gefunden, Notovich.
    Als Bröll gegangen war, blieb Notovich auf dem Sofa liegen und gab sich einem Strom von Bildern hin. Sein erster Auftritt in Paris. Das Publikum hatte Zugabe um Zugabe gefordert, die Presse war hellauf begeistert gewesen. Er hatte endlos gefeiert, in Gesellschaft von Senna und ungefähr acht Flaschen Champagner. Sie hatten sich in ein Hotelzimmer eingeschlossen und auf einem Bett aus Zeitungsausschnitten geschlafen.
    Er richtete sich auf und betrachtete die Einladung noch einmal. Das Programm kannte er noch auswendig: Er hatte die Kompositionen zusammen mit Senna ausgewählt. Nächtelang hatten sie darüber gestritten. Er hatte eigentlich mehr Abwechslung gewollt. Warum kein Bach oder Schubert? Oder Prokofjew? Aber Senna war unerbittlich geblieben. Liszt sei der Komponist, der ihn unsterblich machen würde. Dies sei die Musik, die von nun an für immer mit seinem Namen verbunden sein würde. Wirkliche Argumente hatte sie nicht dafür, das sei nun mal etwas, das er ihr überlassen solle. Das sei ihr Talent. Diese Kompositionen seien durch irgendein magisches Gefühl mit seinem Schicksal verknüpft, das wisse sie genau. Er müsse ihr vertrauen. Und das hatte er getan. Er hatte sein ganzes Leben in ihre Hände gelegt.
    Notovich beschloß, nicht mehr an sie zu denken. Er stand wieder auf und kochte sich einen Beruhigungstee, den Linda ihm aufgedrängt hatte. Nach ein paar Tassen wurde seine Unruhe nur noch größer. Er lief im Zimmer hin und her; die Anwesenheit seines Flügels störte ihn.
    Heute nachmittag hatte er Klavier gespielt. Nicht in Gedanken oder in irgendeinem Traum, sondern vor einem echten Publikum mit echten, lebendigen Menschen. Er konnte die Berührung der Tasten noch in seinen Fingern spüren, die Harmonien in seinem Kopf hören. Aber er hatte nur ein Nocturne gespielt, an die großen Werke hatte er sich nicht gewagt. So weit war er noch nicht, dafür war er zu labil, zu verletzlich. Der Flügel, die Einladung auf dem Eßtisch und der Stapel Klavierbücher in seinem Regal schienen alle dasselbe zu flüstern: Du bist dazu noch nicht in der Lage. Und heute abend tritt ein anderer Pianist auf, der es wohl ist.
    Wütend ging er ins Badezimmer und öffnete das Medizinschränkchen. Er würde zwei Schlaftabletten nehmen, und morgen wäre die ganze Sache vergessen. Als er die Kapseln aus der Folie drückte, fielen sie ins Waschbecken. Er pulte sie aus dem Abfluß, mit Haaren und allem. Verdammt, warum mußte er eigentlich unbedingt schlafen? Hatte er im letzten Jahr nicht genug geschlafen?
    Draußen war es frischer geworden, aber er hatte keine Lust, wieder umzukehren und seine Jacke zu holen. Er wollte laufen, nur laufen. Es wunderte ihn, daß er nicht müde wurde. Normalerweise war er schon erschöpft, wenn er sich vom Bett zum Kühlschrank bewegte. Doch nun fühlte er eine merkwürdige Art von Spannung, die seinen Körper antrieb.
    Nach einer Viertelstunde merkte er, daß er in Richtung Concertgebouw gelaufen war. Noch zwei Straßen, und er wäre da. An der Ecke sah er eine Uhr an einem Giebel hängen; es war fast acht Uhr. Das Konzert würde gleich beginnen. Aber er hatte nicht vor hinzugehen. Er war nicht einmal neugierig, oder höchstens ein bißchen. Er bog um die Ecke und sah, wie das warme Licht aus den Fenstern des majestätischen Gebäudes ihn einzuladen schien. Ein Mann und eine Frau in Abendkleidung stiegen aus einem Taxi und eilten hinein. Notovich beschloß, noch ein Stück näher heranzutreten. Einfach um zu sehen, ob es voll war.
    Als seine Füße den roten Teppich am Eingang berührten, blieb er stehen. Er verspürte einen starken Drang, hineinzugehen und herauszufinden, wer hier heute abend sein Programm spielte. Doch als ein Portier sich zu ihm umdrehte und ihn fragend anschaute, murmelte er eine Entschuldigung und lief wieder in die Dunkelheit hinaus. Der Schweiß brach ihm aus, und seine Beine fingen an, so heftig zu

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