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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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ein Taxi.
 
    Die Villa Beukenhorst lag zehn Minuten außerhalb der Stadt. Der Fahrer hatte noch nie davon gehört, und es war schnell dunkel geworden, so daß sie unterwegs dreimal umkehren mußten, trotz des Navigationssystems. Notovich fragte sich, wie viele Gäste kommen würden und ob sie die Einladung auch so spät empfangen hatten. Bestimmt. Niemand würde sich ein Konzert von Valdin entgehen lassen. Und diesmal würden Kritiker anwesend sein: die hatten wahrscheinlich all ihre Beziehungen eingesetzt und hohe Summen geboten, um das nächste Konzert nicht zu verpassen.
    Durch ein großes Stahltor fuhren sie auf das Landgut. Dort herrschte totale Finsternis. Der Fahrer hielt kurz an und schaltete das Fernlicht ein, um sich zu orientieren. Am Ende einer langen Auffahrt sahen sie ein weißes Herrenhaus. Es war nicht beleuchtet.
    »Sind Sie sicher, daß es hier ist?«
    »Das stand auf der Einladung.«
    Sie waren spät dran, das Konzert hatte womöglich schon begonnen. Notovich stieg aus und zweifelte, ob er die große Treppe hinaufgehen sollte. Ein Schild verwies auf einen Parkplatz hinter dem Haus. Vielleicht war der Eingang dort. Da schwangen zwei Türen auf, um ihn einzulassen. Er bat den Chauffeur, auf ihn zu warten, denn er hatte keine Ahnung, wie lange er es drinnen aushalten würde.
    In der großen Eingangshalle war niemand zu sehen, nicht einmal die Leute, die die Türen geöffnet hatten. Es brannte auch kein Licht. Notovich schüttelte den Kopf, Valdin war offenbar ein Pianist, der diese Art von Show brauchte. Das sagte einiges über sein Selbstbewußtsein. Aus einem der Gänge kam ein milder Schein. Notovich schlich auf zwei hohe Türen zu. Er hörte gedämpftes Stimmengewirr. Ein Mann in Livree wollte gerade den Saal schließen und sagte, das Konzert würde jeden Moment beginnen. Notovich war also richtig.
    Durch eine Seitentür betrat er den riesigen Salon. Sofort befand er sich in der tosenden Brandung von Emotionen und Anspannung, die ihm so gut in Erinnerung war. Auf dem roten Plüsch der Stühle saßen etwa hundertfünfzig Gäste, die ihre Aufregung kaum zügeln konnten, denn sie waren auserwählt, dieses besondere Ereignis mitzuerleben. Der Raum war von Kerzen erleuchtet. Die flackernden Schatten an den Wänden und der Decke schufen eine intime, fast gespenstische Atmosphäre. Der Mann in Livree wollte Notovich zu seinem Platz führen, doch der blieb lieber an der Tür stehen. Der Lakai (anders konnte man ihn in dieser Umgebung nicht nennen) war so freundlich, ihm einen Stuhl zu bringen. Hier saß Notovich nah am Podium und hatte Sicht auf die gesamte erste Reihe. Er ließ den Blick über die Gesichter gleiten, soweit das im Schein der Kerzen möglich war. Aber sie war nicht dabei.
    Auf einmal kamen von allen Seiten Lakaien in den Saal, die mit langen Kerzenlöschern die zahllosen Flämmchen auf den großen, runden Lüstern an der Decke erstickten. Ausgelassene Schreie ertönten aus dem Publikum. Das Licht ging langsam aus. Nur auf dem schwarzen Flügel, der einsam auf dem erhöhten Podium stand, brannte noch ein Kerzenleuchter.
    Der Salon verstummte.
    Ein älterer, gebeugter Mann mit Bart betrat das Podium und blieb bei dem Leuchter stehen. Im wogenden Licht der Kerzen hatten die Schatten freies Spiel auf seinem Gesicht. Er schaute in den Saal und sagte leise: » Mesdames et messieurs  … Valdin.«
    Notovich glaubte, auf der anderen Seite eine Frau im Abendkleid hereinkommen zu sehen, die eilig in der ersten Reihe Platz nahm. Er konnte unmöglich erkennen, ob sie es war. Seine Aufmerksamkeit wurde wieder zum Podium gelenkt. Eine hagere Gestalt in Schwarz hatte es lautlos betreten und setzte sich, ohne ins Publikum zu blicken, an das Instrument. Der Mann starrte auf die Tasten und schüttelte sein Haar nach hinten.
    Valdin war nicht nur größer, sondern auch schwärzer als damals in Paris. Da war er eine eher langweilige, unauffällige Erscheinung gewesen. Notovich hatte mit Senna hin und wieder in einer Kneipe gesessen, in die viele Studenten des Conservatoire National kamen. Wenn Senna früh nach Hause gegangen war, hatte er manchmal mit anderen jungen Pianisten die Nacht durchgezecht. Geringere Götter, die über seine Witze lachten und für jede beiläufige Bemerkung über Musik dankbar waren. Valdin war auch gelegentlich dabeigewesen, aber damals hatte er sich noch anders genannt. Notovich hatte schon mal ein Konzert von Valdin besucht, da war er sich auf einmal ganz sicher. Er konnte sich

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