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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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vor allem Notovichs Äußeres imitiere, jedoch weniger Inhalt habe. Er endete sogar mit dem Stoßseufzer, daß er viel dafür geben würde, noch einmal einem Konzert »des Originals« beiwohnen zu dürfen. Ein leichtes Triumphgefühl regte sich in Notovich, aber auch Zweifel. Ging es wirklich um das Konzert, das er besucht hatte?
    Als er die Zeitung zuschlug, sah er sie hereinkommen.
    »Da bin ich also.«
    Sein Körper schrie sofort, daß dies Senna sei, und sehnte sich nach ihr, doch sein Geist ließ sich diesmal nicht so schnell überzeugen. Sie schwiegen beide. Geduldig, wenn auch mit Unbehagen, ließ sie sich von seinen hungrigen Blicken abtasten. Es war, als ob Senna ein Puzzle wäre, bei dem ein paar Teile nicht paßten. Die Augen waren da, die Nase, der Mund und die Wangen. Aber ihre Haarfarbe war heller, und ihre Gesten waren bedächtiger. Das Abendkleid, das sie bei dem Konzert getragen hatte, hätte Senna damals nicht getragen – zu elegant für ihren Geschmack. Ihre Augen strahlten mehr Ergebenheit aus als früher. Wenn es Senna war, dann gab sie sich alle Mühe, sich selbst nicht zu ähnlich zu sehen.
    Es wurde Tee gebracht. Er sog jedes Bild in sich auf: die Finger, die die Tasse hielten, die gespitzten Lippen beim Trinken, die Augen, die durch den Dampf blinzelten.
    »Du zweifelst, ob ich es bin«, sagte sie lächelnd. Sie versuchte wahrscheinlich, entspannter zu wirken, als sie sich fühlte. »Warum erzählst du mir nicht, wer Senna war?«
    »Du bleibst also dabei, daß du es nicht bist?«
    Sie legte ihren Führerschein auf den Tisch. Es war so ein altmodisches Dokument, das man noch aufschlagen konnte. Die Ränder waren ausgefranst, und das Foto war nicht allzu deutlich. Vivien den Hartog, Geburtsort Waddinxveen , stand dort.
    Er war noch nicht überzeugt. Er hatte Senna nie gefragt, wo sie herkam, und ihren Nachnamen hatte er zum ersten Mal gehört, als der Gendarm ihn festnahm. Über solche Details hatten sie nie gesprochen.
    Notovich schaute sie fragend an. Wenn sie nicht Senna war, warum wollte sie ihn dann sprechen?
    »Du hast mich zu Tode erschreckt, da an der Prinsengracht.«
    »Das tut mir leid.«
    »Aber der Mann hätte dich nicht gleich niederschlagen müssen. Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie ich mich fühlen würde, wenn ich glauben würde, daß … mein Geliebter nach Jahren plötzlich vor mir steht.«
    Sie klang aufrichtig, fast verlegen. Unbehaglich, aber doch aufrichtig. Ihre Stimme schien etwas tiefer zu sein als die von Senna, doch das konnte auch an der Akustik des Lokals liegen.
    »Wolltest du mich deshalb sprechen? Um das Mißverständnis aus der Welt zu schaffen?«
    Sie wich seinem Blick aus und brauchte lange für ihren nächsten Schluck Tee.
    »Valdin redet oft über dich«, sagte sie.
    »Hat er dich geschickt?«
    »Nein, nein, gewiß nicht. Um Himmels willen, nein!« sagte sie schnell. »Er würde explodieren, wenn er es erfahren würde. Wenn du wüßtest, wie er zu dir aufschaut.«
    Notovich hatte keine Ahnung, ob sie log. Vielleicht schmeichelte sie ihm ja bewußt.
    »Valdin macht mir einen ziemlich selbstsicheren Eindruck.«
    »Das dachte ich zuerst auch. Aber in letzter Zeit ist er nicht mehr er selbst. Er spricht über nichts anderes mehr als über diesen blöden Liszt. Man kann kein normales Gespräch mehr mit ihm führen, und er schämt sich nicht einmal dafür. Er sagt, daß er besessen sei.«
    »Das sind alle Künstler ein bißchen.«
    »Er meint es nicht metaphorisch.«
    Notovich sah sie verblüfft an.
    »Hast du schon mal von der Teufelssonate von Liszt gehört?« fragte sie zögernd, als dürfe sie eigentlich nicht darüber reden.
    »Die gibt es nicht.«
    »Laut Valdin schon. Er spricht andauernd davon. Jedesmal, wenn er grob oder gemein zu mir ist, sagt er: ›Sorry, du solltest nicht auf mich böse sein, sondern auf diesen verfluchten Notovich. Der hat die Teufelssonate zuerst gefunden. Und jetzt bin ich genauso besessen wie er.‹«
    »Hat er das gesagt? ›Genauso besessen wie er‹?«
    Sie nickte.
    Er war kaum in der Lage, seine Gedanken zu ordnen. Er wollte sie berühren, umarmen, küssen. Doch zugleich war er wütend auf sie, weil sie behauptete, jemand anderes zu sein. Damit erklärte sie Senna für tot.
    »Das ist nicht der einzige Grund, warum du hier bist«, begriff er. »Du kommst nicht nur, um mich zu warnen.«
    »Das stimmt.«
    »Valdin imitiert meinen Stil, er klaut mein Programm, und er ist fest entschlossen, mir meinen Ruf zu rauben. Und

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