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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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nicht mehr«, sagte sie leise.
    »Wie meinst du das?«
    »Du bist bald berühmt, und dann kannst du so viele Frauen bekommen, wie du willst. Aber du mußt versprechen, daß du immer für mich spielen wirst. Versprichst du das?«
    Sie wollte die Tür öffnen, doch er hielt sie zurück.
    »Du kannst nicht einfach so weglaufen, verdammt noch mal! Was glaubst du denn, wer du bist?«
    »Au! Laß mich gehen. Du tust mir weh, Mischa! Laß mich los!«
    Als Bröll hereinkam, schlüpfte sie hinaus und verschwand.
    »Bleib hier. Bleib hier!!!«
    Bröll trat ihm in den Weg, es war Zeit.
 
    Verzweifelte Gedanken rasten ihm durch den Kopf, während er das Podium betrat und hinter dem Flügel Platz nahm. Meinte sie das ernst, was sie sagte? Oder wollte sie einfach Aufmerksamkeit, in dem Moment, wo er vor seinem Durchbruch stand? Die Tasten kamen ihm fremd vor, als wüßte er nicht mehr, wofür diese weißen und schwarzen Blöcke gedacht waren. Er versuchte mit aller Macht, sich auf die Sonate in h-moll zu konzentrieren. Konnte er sich noch an die ersten Noten erinnern? Senna saß nicht auf ihrem Platz. Das würde er ihr nie verzeihen.
    Die ersten Noten. Wenn er die hinter sich hatte, würde der Rest von selbst kommen. Aber welche Noten? Er hatte keine Ahnung mehr, wie das Stück anfing. Sollte er um eine Partitur bitten? Er holte tief Luft und legte die Hände auf die Tasten. Seine Finger würden ihm den Weg weisen müssen. Und wenn dies nicht gelänge, würde er gefaßt lächelnd weglaufen und sich vor die Metro werfen.
    Langsam machten seine Gedanken den Noten Platz. Die ersten Takte gingen tastend und unsicher, doch zu seiner Erleichterung wurde er schon bald in das Stück hineingezogen. Das wußte er hinterher noch, aber sonst nichts. Den Zeitungen zufolge war das Konzert ein Riesenerfolg. Er wurde mit Größen wie Richter und Rubinstein verglichen. Das Publikum sei außer sich gewesen und habe nach Zugaben geschrien. Bröll habe ihn auf dem Podium umarmt. Und wenn er den Geschichten glauben durfte, hatte er sich genau an das Programm gehalten.
    Er konnte sich nur nicht daran erinnern.
    Der ganze Auftritt war ein großes, leeres Blatt. Nur ein einziges Bild war hängengeblieben. Das Bild von Liszt, der hinter ihm stand, sich über die Tasten beugte und mitspielte, als wollte er seinen Platz einnehmen. Als Notovich wieder zu sich kam (anders konnte er es nicht nennen), lag er in Sennas Armen auf einem mit Zeitungsausschnitten übersäten Doppelbett in einem Hotelzimmer. Sie lagen Stirn an Stirn und Nase an Nase. Sie streichelte ihn und ließ ihn die Rezensionen lesen.
    »Ich habe doch gesagt, daß Liszt und du füreinander geschaffen seid«, meinte sie.
    »Ich dachte, du kommst nicht wieder, Senna.«
    »Ich konnte dich doch so nicht zurücklassen«, erwiderte sie. »Du warst hochkonzentriert während des Auftritts, aber es gelang dir nicht mehr, auf die Erde zurückzukehren. Du hast die ganze Nacht in meinen Armen geschlafen.«
    Sie war offenbar nicht mehr böse. Notovich auch nicht.
    »Senna, ich hatte einen Moment Angst, daß es einen anderen gibt. Siehst du nun, daß du mich ebenso brauchst? Versprich mir, daß du nie mehr von mir wegläufst.«
    Sie weinte leise, und er drückte sie an sich. Es war, als hätte die Musik ihn von seiner Verzweiflung befreit. Alles würde gut werden, es mußte gut werden, redete er sich ein. Aber er dachte später so wenig wie möglich an diesen Abend zurück. Er wußte, daß der Auftritt Kräfte in ihm hervorgerufen hatte, die er letztendlich nicht würde beherrschen können.

16
    D ie Medien berichteten ausführlich über Valdins Herausforderung zum Duell. Bröll hatte eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Nicole ebenfalls. Sie halte es für vernünftiger, mit der Polizei zu reden. Er rief niemanden zurück. Natürlich hätte er am liebsten sofort mit dem Franzosen abgerechnet. Aber ihm fehlte die Energie. Wie lange war das alles her?
    Notovich wollte den Flügel öffnen, doch das Schloß und der Stahlbügel saßen fest. Nach ein paar Minuten erinnerte er sich, daß er den Schlüssel ins Klo geworfen hatte. Zu seiner Verwunderung sah er, daß dieser noch immer unten in der Schüssel lag: Die alte Wasserleitung hatte nicht genug Kraft, ihn wegzuspülen. Er versuchte, den Schlüssel mit Abwaschhandschuhen herauszuholen, aber die liefen voll Wasser. Er ergriff ihn schließlich mit bloßen Händen und legte ihn im Waschbecken unter den heißen Strahl. Danach wusch er sich dreimal

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