Die Teufelssonate
Manager des Salle Pleyel. Was sich dort abspielte, wurde nie aufgeklärt, jedenfalls durfte Notovich vorspielen. Und zu seiner Verwunderung wurde sofort ein Konzerttermin festgelegt. Stürmische Wochen folgten. Die Franzosen waren zunächst nicht sonderlich entzückt von Brölls Vorstellungen über den Verkauf seines Künstlers, doch er wußte, wie er sie mit teuren Essen und dem richtigen Kompliment zum richtigen Zeitpunkt bearbeiten mußte. Notovich schloß sich in seinem Übungsraum ein. Je mehr der große Abend nahte, desto seltener sahen sich Senna und er. Wenn er nach Hause kam, ärgerte er sich zunehmend über das Chaos, das sie überall hinterließ. Er vertrug kein Durcheinander und schon gar nicht, wenn er ein besonders starkes Bedürfnis nach Ordnung hatte, so wie jetzt. Senna spürte das und gab ihm Raum, seine mürrischen Launen auszuleben. Sie massierte ihm die Schultern und las ihm aus den Briefen von Liszt an Marie d'Agoult vor. Sie versuchte sogar ein paarmal, die Wohnung aufzuräumen, aber danach lag nichts mehr an seinem Platz, und Notovich flehte sie an, dies in Zukunft ihm zu überlassen. Auch das erduldete sie mit einem Lächeln.
Und doch hatte er das Gefühl, daß etwas nicht stimmte. Am Abend seines Debüts wurde ihm zum ersten Mal bewußt, daß sie beide von der Strömung ihres Schicksals mitgerissen werden würden. Es war der Abend, an dem sich das strudelnde schwarze Loch zum ersten Mal öffnete.
14
D er Tag kroch dahin. Notovichs Verabredung mit der Frau, die sich Vivien nannte, war erst abends. Um etwas zu tun, ging er bei Linda vorbei. Richtig gemütlich wurde es nicht. Wim redete die ganze Zeit über seine Arbeit, und Notovich hatte Mühe, ihm zu folgen. Linda unterbrach Wim mit einem herrischen Blick. Offenbar hatte sie etwas auf dem Herzen.
»Nicole hat mich angerufen. Die Polizei ist bei ihr gewesen.«
»Ja, das könnte sein, ja.«
»Könnte sein? Warum hast du mir nichts erzählt, Mischa?«
»Vergessen.«
»Was hast du ihnen gesagt?«
»Nichts. Daß sie mich in Ruhe lassen sollen. Sie haben nichts Neues. Und meiner Meinung nach haben sie auch nicht das Recht, meine Psychiaterin zu befragen.«
Er wollte nicht, daß Linda ihre Anwältin einschaltete, aber sie tat es trotzdem. Wim sah ebenfalls nicht, was das bringen sollte: Es hatte doch keinen Sinn, das ganze Elend wieder aufzurühren. Die Polizei würde sowieso nicht preisgeben, wonach sie suchte.
Notovich wollte das Thema wechseln und platzte heraus, daß er eine Verabredung habe.
Linda stellte ihre Tasse ab.
»Eine Verabredung? Mit einer Frau? Ist es dafür nicht ein bißchen zu früh?«
»Was soll er denn machen?« fragte Wim. »Wie lange ist es her, daß der Junge mit einem netten Mädel zusammen gewesen ist? Und so schwer dürfte das doch nicht sein für jemanden, der so gut aussieht. Zumindest, wenn er etwas öfter duschen würde.«
Linda kniff die Augen zu Schlitzen zusammen.
»Deshalb warst du also in den letzten Tagen so geheimnisvoll.«
»Vielleicht«, sagte Notovich so unbeteiligt wie möglich. Er hatte keine Ahnung, wie er Linda wieder von dem Thema abbringen konnte. Sie würde ihm so lange zusetzen, bis sie alles wußte.
»Hört zu, es ist nicht so, wie ihr glaubt. Es ist nichts Romantisches dabei. Es ist jemand, den ich von früher kenne und … Ich dachte einfach, du würdest es schön finden, wenn ich wieder unter Menschen komme.«
»Und wer ist die Glückliche?« fragte Linda in einem eisigen Ton.
»Laß den Jungen doch«, sagte Wim. »Freu dich für ihn.«
Notovich kippte schnell seinen Tee hinunter und wollte sich auf den Nachhauseweg machen, aber Linda hielt ihn an der Tür auf.
»Ist das wirklich der richtige Zeitpunkt, um wieder etwas mit einer Frau anzufangen, Mischa? Die Polizei schnüffelt nicht umsonst herum. Und wenn sie diese alten Akten wieder auskramen, dann … dann … Laß uns keine schlafenden Hunde wecken.«
Verärgert zog er die Tür hinter sich zu.
Zum »Café Duke« waren es zwanzig Minuten zu Fuß. Es waren nur wenige Gäste da. Er fragte sich, ob sie absichtlich so ein schlecht beleuchtetes Lokal ausgewählt hatte, um nur ja keinem Bekannten zu begegnen. Er setzte sich in den hinteren Teil, bestellte Tee und versuchte, die Zeitung zu lesen. Es stand ein Bericht über Valdins Auftritt darin, der mit Formulierungen wie »perlende Arpeggien« und »beiläufig ausgestellte Virtuosität« beschrieben wurde. Zu seiner Verwunderung fand der Autor des Artikels, daß Valdin
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