Die Teufelssonate
öffnete ihn und holte ein Foto heraus. Darauf war ein Kettchen zu sehen. Er legte das Foto langsam hin und strich es sorgfältig glatt, obwohl es überhaupt nicht zerknittert war.
»Erkennen Sie das?«
Es gab Notovich einen Stich.
»Woher haben Sie das?«
Er konnte seine Stimme gerade noch beherrschen. Van der Wal beobachtete ihn wie eine Spinne in ihrem Netz.
»Das hat man in Paris gefunden. Einer der französischen Zeugen behauptet, daß Senna van Ruysdael diesen Schmuck getragen hat.«
»Wo haben sie es gefunden?«
»Wir wissen nicht viel mehr als Sie. Die französische Polizei fragt nur, ob Sie bestätigen können, daß Frau Van Ruysdael so ein Kettchen besaß.«
»Es wird wohl mehrere von diesen Dingern geben.«
»Aber Sie erkennen es?«
»Jetzt möchte ich wirklich meine Anwältin sprechen.«
Er durfte endlich jemanden anrufen, kannte allerdings die Telefonnummer der Anwältin nicht. Zwanzig Minuten später traf Linda ein. Bleich vor Wut blaffte sie den diensthabenden Beamten kurze Sätze zu. Sie brachte die Anwältin mit. Durch die halbgeöffnete Tür fing Notovich Fetzen des Wortwechsels zwischen Linda, der Anwältin und einem Ermittler auf. Er versuchte das Gespräch zu verfolgen wie ein Kind, das Erwachsene über sich reden hört. Das Kind weiß nicht, ob es etwas richtig oder falsch gemacht hat. Der Ton ist zu verhalten, die Worte sind zu schwierig, und die Erwachsenen scheinen den Schlüssel zu einer Welt zu besitzen, die viel zu groß ist für das Kind.
Als Linda wieder ins Zimmer kam, nahm sie ihn an die Hand.
»Sie haben nichts, Mikhael. Es sind alles indirekte Beweise. Verdächtigungen, mehr nicht.«
»Wer hat ihnen diese Hinweise gegeben? Valdin?«
»Und wenn du mich totschlägst, ich habe keine Ahnung. Dein Name steht wieder in der Zeitung, und durch solche Publicity zieht man so was an.«
»Die Polizei hat eine Bitte«, sagte die Anwältin.
»Und die wäre?«
»Sie suchen Dinge, die du an diesem Abend getragen hast oder bei dir hattest: Kleidung, einen Kamm, ein Taschentuch, was auch immer.«
»Du meinst: an denen sich Blut von Senna befinden könnte?«
Sie nickte.
»Ich habe alles weggeworfen«, log er. Er wußte genau, wo das T-Shirt lag. Unter seinem Bett. Wahrscheinlich die erste Stelle, an der die Polizei suchen würde.
»Natürlich hast du alles weggeworfen. Das begreift doch jeder«, sagte Linda.
»Können sie einfach so meine Wohnung durchsuchen?«
»Im Moment nicht«, sagte die Anwältin. »Dazu brauchen sie die Genehmigung des Staatsanwalts. Aber ich denke, sie werden es probieren.«
Es verwunderte Notovich, daß er nicht beunruhigt war. Er fühlte sich seltsam beschwingt. Linda bot ihm an, ihn im Auto mitzunehmen, doch er wollte unbedingt mit der Straßenbahn fahren. Es war lange her, daß er in einer Straßenbahn gesessen hatte, und er genoß die Fahrt durch das Zentrum von Amsterdam in vollen Zügen. Er würde das T-Shirt heute abend an einem besseren Ort verstecken. Aber vorher mußte er noch etwas anderes erledigen. Er holte den Zettel aus der Tasche, den Vivien ihm bei dem Konzert hatte geben lassen, und wählte ihre Nummer.
Das Lokal war voller und lauter als bei ihrem ersten Treffen. Sie hatte denselben Tisch gewählt. Sein Körper reagierte diesmal viel weniger heftig auf Vivien – als akzeptierte er, daß Senna und Vivien zwei verschiedene Frauen waren.
»Warum wolltest du mich sprechen?« fragte sie.
»Ich komme gerade von der Polizei. Die Ermittlungen sind wieder aufgenommen worden. Sie haben offenbar anonyme Hinweise erhalten.«
Sie erschrak.
»Ich vermute, daß Valdin dahintersteckt.«
Sie wich seinem Blick aus.
»Ich habe doch gesagt, daß er nicht aufgeben wird«, erwiderte sie unterkühlt. »Was willst du noch von mir?«
Sie sah sich unruhig im Raum um und tippte mit dem Fingernagel an ihr Teeglas. Ihm wurde klar, daß er diese Frau überhaupt nicht kannte.
»Ich fühle mich hier nicht wohl«, sagte sie auf einmal. Sie stand auf und zog ihn mit sich hinaus. Dort schaute sie sich zweimal um. Rasch führte sie ihn in eine Gasse und wurde erst ruhiger, als sie um eine Ecke gebogen waren.
»Tut mir leid, ich mußte da einfach weg.«
Warum verhielt sie sich so verdächtig? Als ob sie ein Geheimnis mit sich herumtrüge. Sie hatte hinter dem Rücken ihres Freundes eine Verabredung mit einem anderen. Hatte sie Angst vor ihm? Als sie ihren Schritt beschleunigte, ergriff er ihren Arm.
»He, nicht so eilig.«
»Ich habe dich doch vor
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