Die Teufelssonate
Garten eines verlassenen Hauses, irgendwo in der Nähe. Er fragte, wo sie selbst schlafe, aber das verriet sie nicht.
Er wollte sich entschuldigen, ihr erklären, daß er sich nie verzeihen würde, er wollte ihr sein Herz ausschütten, doch er kam nicht über ein paar unbeholfene Sätze hinaus. Also legte er sich neben sie auf die Wiese. Minutenlang sprachen sie nicht, bis das Pferd das Gras um seinen Kopf herum abzufressen begann. Sie kicherte und sagte mit einem Mal auf Niederländisch, daß das Tier ihn möge.
»Senna … ich halte das nicht mehr aus. Komm bitte wieder nach Hause. Es ist alles mein Fehler.«
»Das darfst du nicht sagen. Die Chemie zwischen uns stimmt einfach nicht.«
»Nein, ich muß lernen, mich zu beherrschen. Wenn du wüßtest, wie schrecklich elend ich mich füh …«
Er beendete den Satz nicht, denn er wollte kein Mitleid erregen. Sie drehte sich zu ihm um.
»Weißt du, was das Blöde ist, Mischa … Ich vermisse dich, selbst nach dem, was du mir angetan hast. So ist es mir noch nie mit jemandem gegangen, und das ist mir unheimlich.«
»Mir auch.«
»Aber wirklich. Ich glaube, daß ich deshalb nicht mit dir … daß ich nicht intim sein konnte. Ich fühlte mich bei dir ganz anders als bei anderen Männern.«
»Jetzt gibst du dir noch selbst die Schuld.«
»Nein, nein. So meine ich es nicht.«
»Gibt es noch andere Männer?«
»Nicht mehr.«
Diese Bemerkung beschäftigte ihn noch Wochen später, doch er fragte nie, was sie damit gemeint hatte.
»Wir brauchen nichts zu überstürzen«, sagte er, »aber komm nach Hause. Bitte.«
»Was soll ich dann mit Magda machen?«
Sie streichelte das Pferd und erkundigte sich nach seinen Konzerten. Er log, daß alles phantastisch laufe, doch sie spürte, daß er ihr etwas verheimlichte. Schließlich mußte er zugeben, daß er nicht mehr auftrat.
»Aber du übst doch, Mischa?« fragte sie. »Und du liest noch unsere Briefe?«
Sie nannte die Korrespondenz zwischen Liszt und d'Agoult immer »unsere Briefe«.
»Die erinnern mich zu sehr an dich«, erwiderte er ehrlich. »Außerdem … es ist nicht dasselbe, wenn du sie nicht vorliest.«
»Mischa … du mußt mir versprechen, wieder aufzutreten.«
Ihre Unruhe übertrug sich auf das Pferd. Es fing an, den Kopf hin und her zu werfen, und scharrte mit den Hufen im Gras. Senna versuchte vergeblich, es zu beruhigen. Das Gespräch war vorbei.
Er hatte keine Ahnung, was er nun tun sollte. Sie hing noch an ihm, das war das Wichtigste. Unter normalen Umständen würde er sie überreden, irgendwo eine Kleinigkeit essen zu gehen. Dann würde es spät werden, und dann würde er beiläufig bemerken, daß sie bei ihm übernachten könne; er würde auf dem Sofa schlafen. Aber mit Magda funktionierte dieser Plan nicht. Ein Pferd konnte man unmöglich mit in ein Bistro nehmen.
Er hatte nicht vor, sie gehen zu lassen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sie zu begleiten, wohin auch immer. Solange sie ihn nicht wegschickte, war ihm alles recht. Das Haus am Rande des Parks war ein hölzernes Etwas mit abgeblätterter Farbe und zerschlagenen Fenstern. Es war nicht schwer zu erraten, warum niemand darin wohnen wollte. Es lag an einer Autobahn, die einen unaufhörlichen Strom von Motorengeräuschen und Auspuffgasen produzierte.
»Was für ein Glück, daß ich diesen Ort gefunden habe, was?« sagte Senna. Mit einem langen Seil hatte sie Magda im Garten an einem Stahlring in der Erde festgebunden. Notovich nickte. Der Lärm schien sogar durch den Holzfußboden hereinzudringen. Auf der Toilette lagen zwei Heroinspritzen. Das Haus wurde offenbar von Drogensüchtigen genutzt, die sich im Park herumtrieben. Nachts war der Bois de Boulogne das Revier von Prostituierten und Transsexuellen.
»Schläfst du hier?«
»Fast nie. Ich habe meine eigene Stelle.«
»Wo denn?«
»Wenn ich das verrate, ist es nicht mehr nur meine Stelle.«
»Laß uns meinetwegen in ein Hotel gehen. Wir können ein Taxi rufen.«
Sie fing an zu lachen. Auf einmal schlang sie ihre Arme um ihn und küßte ihn.
»Mischa, geh nach Hause.«
»Was? Ich kann dich doch hier nicht zurücklassen. Es wimmelt hier von Junkies.«
»Du mußt üben, du mußt an deine Musik denken.«
»Die ist mir egal. Ich gehe nicht weg, bis du mir versprichst, daß du zu mir zurückkommst, Senna. Magda ist nicht die einzige, die dich braucht. Es ist mir gleich, ob wir vor Hunger oder Kälte umkommen, aber ich laß dich nie mehr allein.«
»Das kann ich
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