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Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid

Titel: Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Camilla;Träff Grebe
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sie auf dem Boden zerschellt, aber ich spüre nichts, sitze wie versteinert auf dem Holzstuhl. Er ist Jennys Vater.
    Lange, rote Haare, Finger, die ununterbrochen im Takt zu unhörbaren Melodien gegen die Schenkel trommeln, milchig schimmernde Haut, von Sommersprossen bedeckt, der zerbrechliche Körper einer mädchenhaften Frau, in Jeans und engem Pullover, mit einem Lederband um den Hals.
    Jenny Andersson – meine Patientin, die Selbstmord beging. Der Vater fand sie im Garten unter einem Apfelbaum mit zerschnittenen Handgelenken. Und hier steht er jetzt in meiner Küche und brät Fleischbällchen. Plötzlich wird mir alles in schmerzhafter Schärfe klar. Er rächt den Tod seiner Tochter, und in seinen Augen bin ich die Schuldige.
    »Na, dämmert es langsam? Sie war wohl nur eine von vielen deiner Patienten. Eine in der Menge, nicht so einfach, sich daran zu erinnern, oder?«

    Er grinst, aber seiner Stimme ist der Schmerz anzuhören.
    »Natürlich erinnere ich mich an Jenny«, flüstere ich und reibe meine zitternden Hände unter dem Tisch aneinander, während sich der bordeauxfarbene Fleck unter dem Tisch zu einem See entwickelt. In der blutfarbenen Oberfläche kann ich mein eigenes Spiegelbild erkennen, vorgebeugt hocke ich auf dem Stuhl, als versuchte ich physisch meine Untergebenheit zu signalisieren und damit Christers Wut zu besänftigen.
    »Dann begreifst du ja wohl, warum ich hier bin? Du hast meine Tochter durch deine Schlamperei und Unfähigkeit umgebracht.«
    »Christer, ich habe deine Tochter nicht umgebracht. Ebenso wenig wie …«
    Swusch. Der Schlag kommt vollkommen unerwartet und trifft mich im Gesicht. Ich kann spüren, wie etwas Warmes meine Wange hinunterläuft, aber ich fühle keinen Schmerz, nur den Schock und eine bodenlose Verzweiflung.
    »Jetzt hältst du die Schnauze, du Scheiß-Psychohure. Du hast sie umgebracht. Kapierst du das? Du hast sie UMGEBRACHT.«
    Christers Stimme steigt zu einem Brüllen an. Er dreht sich zu mir um, und mit einer einzigen Handbewegung schmeißt er die gusseiserne Pfanne an die Wand, so dass die Fleischbällchen durch die Küche fliegen.
    Er steht jetzt dicht neben mir. Ich kann seinen Atem hören, der sonderbar röchelnd klingt, fast asthmatisch. Und den Geruch, den Geruch seines Körpers kann ich riechen. Nach Schweiß riecht er wie ein Tier. Er lässt sich auf dem Stuhl mir gegenüber nieder und verharrt dort, den Kopf in den Händen vergraben, wiegt sich langsam vor und zurück, wobei er einen pfeifenden Laut von sich gibt. Es dauert eine Weile, bis ich verstehe, dass er tatsächlich Asthma hat.
    »Du hast sie umgebracht«, murmelt er atemlos.

    Wir sitzen uns schweigend gegenüber. Nur das zischende, blubbernde Geräusch des Schinkens, der im Ofen brät, ist zu hören, und das Ticken der Uhr an der Wand. Trotz meines benebelten Zustands ist mir klar, dass ich ihn zum Sprechen bringen, den Kontakt zu ihm herstellen muss, eine Brücke zu seinem verwirrten Bewusstsein bauen, an sein rationales Ich herankommen muss – denn so etwas wird ja auch er haben, oder?
    »Sara …«, beginne ich vorsichtig.
    Christer röchelt leise, wischt sich die Stirn und richtet sich auf.
    »Ja … Sara«, sagt er mit leiser, aber sonderbar ruhiger Stimme und scheint eine Weile nachzudenken, während er zwischen Glassplittern, Rotwein und Fleischbällchen sitzt.
    »Ja, diese blöde, arme Sara. Du kannst sagen, was du willst, aber sie hat es besser, dort, wo sie jetzt ist. Übrigens ein ziemlich hübsches Mädchen, wenn man von diesem verhärmten Zug absieht, den sie hatte, aber, ehrlich gesagt, total verdreht. Oder was meinst du dazu, Frau Psychologin? Sich die Arme mit Messern aufzuritzen? Warum macht man so etwas?«
    »Du hast sie getötet?«
    »Schnickschnack, sie war schon lange tot, bevor ich sie getroffen habe. Ich habe ihr nur einen Gefallen getan.«
    Christer beugt sich über den Küchentisch zu mir vor und sieht mich an, nein, er starrt mich an, mit merkwürdig stahlgrauen Augen, die mich an Bleikugeln oder Metallkappen oder an die kleinen, glänzenden Körper von Silberfischen denken lassen, wenn diese hilflos versuchen, sich unter meinem Wischlappen auf dem Badezimmerboden zu verstecken. Er streckt seine Hand aus, streicht mir über die Wange, und ich kann sehen, wie sich seine Handfläche von meinem Blut rot färbt.

    »Scheiße, Siri, es tut mir leid, dass es so hat kommen müssen. Was soll ich sagen, es ist so lange Zeit vergangen… so lange Zeit, seit ich angefangen

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