Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid

Titel: Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Camilla;Träff Grebe
Vom Netzwerk:
hängt. Sie zeigt eine Frau, die auf einem Schmetterling reitet, ein Motiv, das Aina als viel zu psychodynamisch für die Wand eines Sprechzimmers hält. Aber mir gefällt es, deshalb lasse ich es dort, trotz Ainas Protesten. Und wenn Kinder zu Besuch kommen, bleiben sie immer vor Begeisterung davor stehen.
    »Was für ein Gefühl ist es, die Kontrolle zu verlieren, Siri?
Wie fühlt es sich an, wenn jemand anderes Ihr Leben kontrolliert?«
    »Wie meinen Sie das?«, entgegne ich, und im selben Moment weiß ich genau, was sie meint. Ich weiß ganz genau, wie wichtig es für mich ist, die Kontrolle über das, was mein Leben ist, zu behalten. Und was für ein Gefühl es ist, wenn man es verliert, wenn es einem durch die Finger gleitet wie glitschige Seife.
    Charlotte erwidert meinen Blick und nickt langsam.
    »Genau«, sagt sie still.

     
    Nach Stefans Tod war ich wie gelähmt. Ich war nicht in der Lage, die Beerdigung und seinen Nachlass zu organisieren. Meine Eltern mussten mir helfen, und das taten sie gern. Niemand fragte, warum ich Tage, ja Wochen im Bett verbrachte. Meine Mutter reichte mir die Mahlzeiten auf dem kleinen roten IKEA-Tablett, das ich einige Jahre zuvor als Geburtstagsgeschenk bekommen hatte. Kohlrouladen, Frikadellen und Dorsch mit Eiersauce, reelle Hausmannskost. Mein Vater öffnete die Post, sorgte dafür, dass die Rechnungen bezahlt wurden, und informierte alle, die es wissen mussten, über Stefans Tod. Ich selbst lag reglos, unnahbar und untröstlich zwischen den feuchten Laken. Ich duschte ein paar Wochen lang nicht, was mich meinen eigenen scharfen Körpergeruch wahrnehmen ließ, wenn ich mich im Bett umdrehte, aber es interessierte mich nicht. Es schien, als säße ich neben mir und würde distanziert meine Trauer betrachten.
    An die Beerdigung habe ich nicht mehr viele Erinnerungen, abgesehen davon, dass sie auf dem Waldfriedhof stattfand und die Kapelle mit einem schönen beigefarbenen Mosaik ausgekleidet war. Ich erinnere mich auch noch, wie der Pfarrer aussah. Ich glaube, ich weiß noch, wie alles aussah, aber ich weiß nicht, was gesagt wurde oder was genau vor sich ging.
    Als meine Eltern mich endlich in Frieden ließen, zog Aina ein. Anfangs tat sie alles für mich: kochte Essen, wusch mir das Haar und schob Schnee, so dass das Auto bis zum Haus fahren konnte, und nach einer gewissen Zeit, ich weiß nicht
mehr, wann, verfielen wir in eine wortlose Alltagsroutine. Eine Zusammenarbeit, bei der wir uns die häuslichen Arbeiten teilten. Ein paar Monate vergingen so, und plötzlich war er da, der Tag, an dem ich spürte, dass ich gezwungen war, wieder hinaus in die Welt zu gehen. Ich erklärte Aina, dass ich anfangen wollte zu arbeiten, und sie meinte dazu nur: »Dann fahren wir morgen früh also zusammen rein?«
    Danach bekam mein Alltag scheinbar wieder normale Konturen. Nichts war mehr wie gehabt, aber nichtsdestotrotz schien alles wie früher zu sein. Ich ging jeden Tag zur Arbeit, traf meine Patienten und beschäftigte mich abends damit, Akten anzulegen, zu lesen oder mich mit Aina zu treffen. Die Wochenenden waren schmerzlich lang, konnten aber überstanden werden, indem sie in praktikable Teile zerhackt wurden. Lesen: zwei Stunden, Einkaufen: fünfzig Minuten, Auto waschen: fünfundvierzig Minuten, Kartoffeln schälen: zwanzig Minuten und so weiter. Der Trick war, nie ohne Beschäftigung zu sein, nie den Gedanken zu erlauben, in die Irre zu gehen.
    Trotz aller Einwände entschied ich mich, in dem kleinen Haus von Stefan und mir am Wasser wohnen zu bleiben. Insgeheim brütete ich über einem unklaren Plan, der darauf hinauslief, dass ich eines Tages, wenn ich wieder stark war, mich hinsetzen und ernsthaft abwägen wollte, ob es wirklich gut für mich war, in dem Haus wohnen zu bleiben. Was natürlich niemals geschah. Der Winter wurde zum Sommer, und als die Frühlingssonne den letzten Schnee schmelzen ließ und die Schneeglöckchen sich durch das Vorjahreslaub, das ich nie weggeharkt hatte, hindurchbohrten, empfand ich eine leise Freude darüber, dass ich mich dazu entschieden hatte, nicht wegzuziehen. Das hier war mein Zuhause, und nichts würde mich dazu bringen, es zu verlassen.
    Wie ich mich doch irren konnte.

     
    Es ist Freitagabend, und ich stehe im Supermarkt von ICA. Um mich herum sind die Menschen damit beschäftigt, routinemäßig Lebensmittel einzukaufen. Eine ältere Frau füllt ihren Einkaufswagen bis zum Rand mit dem Einkauf fürs Wochenende, ein Mann in den

Weitere Kostenlose Bücher