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Die Tibeterin

Die Tibeterin

Titel: Die Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Tee ein. Er bedankte sich höflich und begann, seine Pfeife zu stopfen. Sein braunes Gesicht war eingefallen, sein oberer Schneidezahn stand zwischen den trockenen Lippen hervor.
    »Du siehst müde aus«, stellte er fest. »Zuviel Arbeit?«
    Ich verzog das Gesicht.
    »Ich schlafe schlecht in letzter Zeit.«
    Amla hob gelassen den Blick.
    »Tara denkt viel an Chodonla. Das macht sie unruhig.«
    Er suchte ein Streichholz, zündete langsam und umständlich seine Pfeife an. Der vertraute Tabakgeruch erweckte in mir eine seltsame Sehnsucht. Sehnsucht an Zeiten, die vorüber waren.
    Bevor Tashi pensioniert wurde, hatte er in einer Schreinerei gearbeitet. Dort konnte er seine Fingerfertigkeit brauchen; seine Arbeit wurde geschätzt. Tashi sprach deutsch, aber seine Unsicherheit kam zum Ausdruck, wenn er mündlich oder schriftlich mit Behörden – Schule, Post, Bank – verkehren mußte. Lhamo oder ich mußten alles für ihn erledigen.
    Sein Schicksal hatte die für ihn endgültig befriedigende Fassung gefunden. Er nahm an nichts teil, oder nur oberflächlich. Er telefonierte nicht, las selten die Zeitung, saß gleichgültig vor dem Bildschirm. Bei tibetischen Versammlungen trug er stets die Tschuba, die Stiefel, die nach Mottenkugeln riechende Fellmütze.
    Dann saß er da, die Pfeife im Mundwinkel, flüsterte mit alten Männern, die das gleiche Gesicht hatten wie er, die sich alle zurückzogen und fast unsichtbar wurden.
    »Ich träume auch«, brach er jetzt das Schweigen.
    Ich starrte ihn an.
    »Von Chodonla?«
    Er blinzelte, weil er wie üblich seine Brille nicht trug. Er ließ sie immer irgendwo liegen und klagte dann: »Wo ist meine Brille?«
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    Amla suchte sie und fand sie auf den ersten Blick.
    »Nein, sie spricht nicht mehr zu mir.«
    Er seufzte plötzlich, tief und röchelnd.
    »Ich wünschte, sie wäre hier. Sie hat Familie in der Schweiz. Sie könnte leicht eine Wohnung bekommen… «
    Amla und ich tauschten einen Blick. Sie hob die Kanne.
    »Noch etwas Tee, Tara?«
    »Nein, danke, ich gehe gleich.«
    Vater sprach weiter, wie zu sich selbst. Er hatte seit Jahren einen Bronchialkatarrh, und bei feuchtem Wetter wurde es schlimmer. Ich hatte ihm Tropfen verschrieben. Seine Stimme klang brüchig.
    »Ich bin zur Zeit erkältet. Meine Nase läuft, und ich muß mich ständig schneuzen. Man sagt, die Zeit heilt alle Wunden. Aber nicht meine, nein. Warum habe ich Wangdup geschickt, damals? Warum bin ich nicht selbst gegangen? Diese Fragen beschäftigen mich sehr… «
    Er unterdrückte einen drohenden Hustenanfall. Ich sagte:
    »Nimm deine Tropfen, Pala. Und mach dir keinen Kummer. Du konntest nicht zurück, die Chinesen hätten dich umgebracht.«
    Er zog ein schmutziges Taschentuch hervor.
    »Das ist zu einfach. Es führt mich nicht zur Wurzel in.«
    »Wie meinst du das?«
    Er spuckte in das Taschentuch, wischte sich die Lippen ab.
    »Es ist möglich, daß ich es geschafft hätte.«
    Amla holte gepreßt Luft.
    »Sei ruhig, Tashi. Nichts ist endgültig, das Gute nicht und auch das Böse nicht.«
    Er nickte vor sich hin.
    »Der Fluß führte Hochwasser. Wangdup opferte sein Leben. Ich habe eine Schuld abzutragen.«
    Ich war betroffen. Wie hätte ich ahnen können, daß er sich selber derart die Schuld gab? Das Zimmer war plötzlich voll aufgescheuchter Erinnerungen, eine kranke Unruhe wühlte die Dämmerung auf. Ich fühlte mich unsicher und überfordert und wäre am liebsten davongelaufen.
    »Du tust dir ja nur weh«, sagte ich. »Es ist doch alles schon so lange her. Und du bist müde… «
    Er nahm mit behutsamer Gebärde die Pfeife aus dem Mund. Die Hände hast du von deinem Vater, sagte Amla. Ich dachte, ja, das stimmt, sogar, was Größe und Form anbelangt.
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    »Müde? Ja, das mag sein. Da sind viele Körper in mir. Die Mutter, der Vater, die Vorfahren, die Tiere… Die einen sind müde, die anderen nicht.«
    Ich starrte ihn erschrocken an. Die Besorgnis füllte meinen Hals mit einem dicken Kloß. Was redete er da? »Denk an deine Gesundheit, Pala. Du mußt auf die Symptome achten.«
    Er rieb sich die rötlich entzündeten Augen.
    »Ich brauche mehr Zeit, Kind. Der Kampf mit den Dingen in meinem Kopf strengt mich an. Die Gedanken verschwinden auf halbem Weg, das beunruhigt mich. Vielleicht sind es nicht meine Gedanken? Mein Kopf scheppert wie eine Blechbüchse. Das macht schlapp, weißt du. Aber sei ruhig, ich werde mich schon in Gang halten… «
    Erneutes Schweigen. Die Stille nahm eine andere Dimension an,

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