Die Tiefe einer Seele
hinauf und klopfte an die Tür des Badezimmers. »Elias?«, rief sie aufgewühlt. Aber sie bekam keine Antwort. Sie klopfte energischer und rief immer lauter, was auch ihren Mann auf den Plan rief, der sofort nach oben eilte. Und er fackelte nicht lange, als er erkannte, dass sein Sohn sich in Gefahr befinden musste. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen die Tür. Einmal, zweimal. Erst beim dritten Anlauf gab die Tür nach und sprang auf. Entsetzt sah das Ehepaar ihren Jüngsten leblos am Boden liegen. Sie stürzten zu ihm hin, beugten sich über ihn, rüttelten ihn, redeten auf ihn ein. »Er atmet nicht mehr«, schrie Magda voller Panik. »Gide, er atmet nicht mehr.«
Kapitel 42
9. Juni 2013 – Hyannis Port
»Und jetzt zu Dir, James Anthony Prescott.« Diese zierliche Person hatte sich aus seinem Arm gewunden und saß ihm nun im Schneidersitz auf den Bootsplanken der schicken Motorjacht gegenüber. Sie schenkte ihm einen Blick, der stark an den eines römischen Inquisitors des Mittelalters erinnerte. So einer, der Ausflüchte nicht gelten lassen würde, das war ihm klar.
»Wieso? Was ist denn mit mir?«, fragte er nervös und schätzte insgeheim die Entfernung des Bootes zum Ufer ab, falls ihm keine andere Wahl blieb, als stiften zu gehen.
»Es ist zu weit, um zu schwimmen«, erriet Amelie schmunzelnd seine Gedanken und verschränkte die Arme vor der Brust.
Peinlich berührt, dass sie ihn so mühelos durchschauen konnte, knetete er unruhig seine Hände.
»Amelie, vielleicht wäre es besser, wenn wir an Land zurückkehren. Sie haben doch gemeldet, dass das Wetter sich ändern würde, und ich möchte Dich nicht in Gefahr bringen.«
Verwundert schaute er auf, als ihr glockenreines Lachen sein Ohr erreichte.
»James, Du bist einfach zu köstlich«, labte sie sich an seinem vergeblichen Ablenkungsmanöver. »Sicher können wir zurückfahren, aber glaubst Du wirklich, dass Dich das auf Dauer vor diesem Gespräch bewahren würde? Lass mal überlegen. Du hast mir gesagt, dass Du mich liebst und ich habe Dir gesagt, dass ich Deine Gefühle erwidere. Außerdem scheint es so, dass wir, sofern meine Probleme in den Griff zu bekommen sind, schon planen, eine gemeinsame Zukunft zu bestreiten, oder irre ich mich da?«
James schüttelte mit dem Kopf und schenkte ihr ein liebevolles Lächeln.
»Na also! Dann kannst Du nicht wirklich annehmen, dass ich für immer und ewig dabei zusehen werde, wie der Mann an meiner Seite mit einem Loch im Herzen herumläuft.«
»Amy, ich weiß nicht, was Du meinst«, spielte James den Ahnungslosen. »Mein Herz strotzt vor Gesundheit, erst recht, seitdem ein kleiner, rothaariger Gnom Besitz davon ergriffen hat.«
»Du kannst mir Deine Frechheiten gehäuft um die Ohren schlagen, es wird Dir nichts nützen, James Anthony Prescott. Ich möchte, dass Du mir von Liam erzählst. Bitte!«
James spürte, dass sein Hals sich zusetzte, und so sehr er es auch versuchte, er konnte den Kloß nicht wegschlucken.
»Es, ….es gibt da nichts zu reden, Amy. Mein Sohn ist tot und begraben. Wir sollten ihn in Frieden ruhen lassen.«
Sie schaute ihn an, und ihr Blick durchdrang seinen Körper wie ein Röntgenstrahl. Es gab nichts, was er vor ihr verbergen konnte, das wurde ihm in diesem Moment zum wiederholten Male klar. Sie beugte sich vor und legte ihre flache Hand auf die Stelle seiner Brust, unter der sein Herz schlug. Eher unkontrolliert pochte, angesichts der innigen Berührung durch die Frau, die in so kurzer Zeit der wichtigste Mensch in seinem Leben geworden war.
»Ich möchte wissen, was in Dir vorgeht«, hauchte sie und schenkte ihm dieses unglaubliche Funkeln ihrer grünen Augen. »Nein, eigentlich weiß ich ja schon, was Dich bewegt, und Du weißt es auch, wehrst Dich aber noch immer dagegen. Sprich es aus, James! Sag es mir! Bei mir sind Deine Worte gut verwahrt. Ich werde sie hüten wie ein Schatz, und wer weiß, vielleicht finden wir gemeinsam einen Weg, um auch für Dich die Schatten der Vergangenheit erträglicher zu machen.«
»Kannst Du es nicht einfach gut sein lassen, Amelie?«, stieß James aufgewühlt hervor.
»Nein, kann ich nicht«, sagte sie leise und legte ihre andere Hand an seine Wange. »Ich will Dich nicht quälen, James, ganz bestimmt nicht. Im Gegenteil, ich will, dass es Dir besser geht. Denn das würde mir ebenso helfen, verstehst Du? Dass ich die Gewissheit hätte, auch etwas für Dich tun zu können. Liebe ist ein Geben und Nehmen. Ich möchte nicht
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