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Die Tiefe einer Seele

Die Tiefe einer Seele

Titel: Die Tiefe einer Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Dakota
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mal, es ist noch keine 72 Stunden her, da hast Du mich in eine Abstellkammer eingesperrt. Weil Du verzweifelt warst und nicht mehr weiter wusstest. Glaubst Du wirklich, dass ich Dich deswegen weniger lieb habe? Und denk einmal daran, dass Du eine körperliche Nähe zwischen uns stur verweigerst. Weil Du meinst, das würde meinem Gesundungsprozess schaden, obwohl das doch wohl der größte Blödsinn ist, den ein menschliches Hirn je hervorgebracht hat. Verringert das in irgendeiner Weise meine Liebe zu Dir? Nein, tut es nicht, obwohl ich mich zunehmend darüber ärgere und es auch einfach nicht verstehe. Lange Rede, kurzer Sinn, was ich Dir sagen möchte, ist, dass Du vielleicht genervt warst und nicht aufgepasst hast. Das ist etwas, was jeden Tag Abermillionen Menschen Abermillionen mal passiert. Überwiegend hat das keine Konsequenzen. In Deinem Fall war das nicht so, doch das macht Dich nicht zu einem schlechten Menschen, nur zu einem, der Pech gehabt hat. Dem das Schicksal für einen winzigen Augenblick lang nicht wohlgesonnen war.«
    »Mag sein, Amy, fest steht aber, dass mein Sohn noch leben würde, wenn ich mich anders verhalten hätte.«
    Amelie seufzte, stand auf und zog James mit sich hoch. Sie trat an die Reling der kleinen Motorjacht, und er folgte ihr. Schweigend schauten die beiden für eine Weile auf den friedlichen Ozean, der vor ihnen lag.
    Schließlich wandte Amelie sich wieder zu dem Mann zu und ergriff seine Hände.
    »Mir ist schon klar, was in Dir vorgeht, James. Wirklich! Denn auch ich fühle eine Schuld, die mich wohl mein ganzes Leben lang begleiten wird. Nämlich die, meinen Eltern und meinen Geschwistern unendlich weh getan zu haben. Ihnen eine Last aufgebürdet zu haben, die sie zu tragen kaum in der Lage gewesen sind. Ich kann es bloß nicht mehr ändern. Und da sind wir jetzt beim Punkt. Du bist es doch, der nur allzu gern von der Unabänderlichkeit der Dinge spricht. Aber etwas zu sagen und auch danach zu leben, das ist manchmal gar nicht so einfach. Erst wenn Du aufhörst, Dich zu fragen, wie Du den Tod Deines Sohnes hättest verhindern können, wirst Du das Geschehen wirklich angenommen haben, und erst dann wirst Du diesen grauenhaften Schicksalsschlag auch verarbeiten können. Und zwar richtig verarbeiten können.
    Und es gibt noch etwas, was mir durch den Kopf geht. Wie oft habe ich mich gefragt, warum ich es nie geschafft habe. Mich umzubringen, meine ich. Dreimal habe ich versucht, dreimal bin ich gescheitert. Sicher gibt es Leute, die meinen, ich wäre vielleicht zu dämlich oder gar, ich hätte es nicht ernsthaft gewollt. Beim ersten Mal hätte ich mich zweifelsfrei geschickter anstellen können, aber beim zweiten und dritten Mal war ich eigentlich auf der todsicheren Seite, so makaber sich das auch anhören mag. Und bei allen drei Anläufen habe ich ungelogen nichts mehr herbeigesehnt, als endlich meinem jämmerlichen Dasein ein Ende zu bereiten. Es war mir also wirklich ernst. Doch es sollte nicht sein. Als würde es noch andere Pläne für mich geben. Keine Bange, ich bin zwar die Tochter eines Pastors, dennoch habe ich ganz sicher nicht vor, jetzt von einer göttlichen Fügung zu sprechen. Aber ich glaube schon, dass jeder einzelne Mensch von uns einen vorbestimmten Weg, ein Schicksal hat. Und komischerweise werde ich seit einigen Wochen das Gefühl nicht los, dass Du, James Prescott, eben meines bist. Dass ich deswegen nicht sterben konnte und durfte, weil ich Dich kennen- und liebenlernen würde. Natürlich weiß ich, was das im Umkehrschluss zu bedeuten hätte. Nämlich dass das mit Liam passieren musste, damit wir uns begegnen können. Das hört sich hart und grausam an, aber der wahre Kern an diesem Gedanken, lässt sich nun mal nicht verleugnen. Wenn man dem also versucht logisch zu folgen, dann müsstest Du auch mir jetzt eine Mitschuld an seinem Tod geben, genauso wie Dir selbst, dem Schicksal oder sonst wem. Nur was hättest Du davon? Nichts, nicht wahr? Es ist demnach der falsche Ansatz, Deinen Sohn in Frieden ruhen zu lassen, wie Du es ja so vehement gefordert hast.«
    Völlig durcheinander starrte James die junge Frau an. Mit ihren Worten hatte sie ihn tief berührt. Seine Gedanken wurden wild durcheinandergewirbelt, das Herz raste in der Brust und die Kraft dieser Emotionen, die er vor langer Zeit mit seinem Jungen begraben hatte, lief Gefahr, ihn zu zermalmen.
    Mit einer entschlossenen Bewegung, die durch seine Zerrissenheit genährt wurde, zog er Amelie in die

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